Neulich durfte ich eine Horde Siebtklässler zu einem kleinen Ausflug ins Stadion von Mainz 05 begleiten. Das ist, für Unwissende, der Fußballverein, den wir hier anfeuern. Meine Söhne waren schwer neidisch und ich hielt pflichtschuldig alle relevanten Teile der Stadionführung in Bild und Ton fest. Wusstest du, dass Fußballspieler sich nach getaner Arbeit nicht einfach aufs nächstbeste Sofa werfen und die ramponierten Füße hochlegen dürfen?! Nein, nein, vielmehr müssen sie in Eistonnen baden, sich dehnen und auslaufen und lauter andere Mühseligkeiten mehr hinter sich bringen, bis endlich, endlich Ruhe einkehren darf.
Ich bin ja jetzt auch seit längerem tapfere Sportlerin, in meinem Schlafzimmer auf der Matte, leider möchte mir für diesen Anblick niemand Millionen zahlen. Ich mühe mich redlich, der Gesundheit und des Wohlbefindens wegen, du weißt schon, Care-Arbeit und so. Habe ich es dann hinter mich gebracht, wollen mir die freundlichen, aber sehr bestimmten Damen, die durchs Programm führen, mir auch einfach nicht erlauben, mich umgehend rückwärts aufs Bett plumpsen zu lassen. Nein, stattdessen beharren sie auf Dehnungen und Streckungen in alle Himmelsrichtungen. Ich habe darauf keine Lust, schließlich war ich schon tapfer. Nach all den Anspannungen, meiner geballten, heroischen Selbstdisziplin, nach all den Kniebeugen und Planks sollten Jubelchöre und wohlige Entspannung einsetzen und zwar umgehend, bitteschön. Stattdessen füge ich mir mit zusammengebissenen Zähnen Schmerzen zu, denn so ein Hüftbeuger, puh, die Waden, lieber Himmel und auch der untere Rücken stöhnt beleidigt auf. Leider, leider verfüge ich über keine Eistonne, sehr schade, wirklich, sehr schade. Der vernunftbegabte Anteil in mir sieht die Notwendigkeit ein und hört sich geduldig das Gezeter vom Rest an. Im herabschauenden Hund. Während der Schweiß tropft. Mit reiner Kraftanstrengung ist es nicht getan, der beanspruchte Muskel will gedehnt werden. Dehnen schmerzt. Die Pause muss warten. Hält man sich an das Prozedere, erspart man sich langfristig Schmerz, wird beweglicher und naja, irgendwie funktioniert das mit den Muskeln dann besser.
Warum erzähle ich dir davon?! Nun, weil Sommerferien sind. Ehrlich gesagt bin ich über die Ziellinie eher gekrochen, als gesprintet. Vielleicht ist es dir ähnlich ergangen, vielleicht hast du die Ziellinie aber auch noch knapp vor Augen und mobilisierst nochmal alles was geht. Mein zwölftes Schuljahr als Mutter und damit mein erstes Schuljahr als Frau am Pult ging vor einer Woche zu Ende. SOMMERFERIEN!! Und genau wie nach einer kleinen Sporteinheit, erwartete, ersehnte und erhoffte ich mir die unmittelbare, redlich verdiente und selbstredend wohlige Entspannung. Sofort!! Her mit den Sommergefühlen!!
Das war schließlich wieder ein wildes Jahr, völlig wahnsinnig dann und wann, jetzt aber, jetzt ist mal gut, endlich! Hmm. Ich warte ehrlicherweise noch immer. Statt umgehend in die tiefe Entspannung zu gleiten, setzte der Dehnungschmerz ein. Auf einen Schlag spürte ich die gesammelte Anspannung der letzten Wochen und Monate, die verkrampften Muskeln, das besorgte Herz, die vielen Fragen. Ich wollte endlich auf die Bremse treten, das hohe Tempo endlich stoppen, aber in mir rannte alles weiter. Es brachte mich sogar dazu, eine to do Liste zu schreiben, mit all den blöden Dingen, die in diesen Sommerferien unbedingt erledigt werden müssen. Am ersten Ferientag. Zwischen Anspannung und Entspannung liegt das Dehnen. Dehnen schmerzt. Es zeigt dir, wo das Krampfige und die Verhärtungen in dir stecken. Wo du dich vernachlässigt hast, wo sich irgendwas verkneistert und verklebt hat, wo die Ängste und die Erschöpfung zu lange zwischengelagert wurden. Wenn du dich sehr angespannt hast, dann fällt nicht alles auf einen Schlag von dir ab, nur weil im Kalender Ferien markiert sind. Vorsichtig, ganz vorsichtig musst du die Anspannung lösen.
Gott sei Dank dauert der Sommer ein Weilchen. Ich taste mich langsam heran. Das Gute am Dehnen ist, dass der Schmerz irgendwann nachlässt und du dich wieder beweglicher und freier fühlst. Ich bin übrigens nicht alleine, mit meinem Dehnungsschmerz. Ein ganzes Schuljahr will bei allen verräumt werden. Also wundere dich nicht, wenn dein Schulkind nicht unmittelbar in freudestrahlenden Jubel ausbricht und ab jetzt nur noch gute Laune kennt. In die Ferien müssen sich alle erstmal reinruckeln. Ich habe schließlich eine große Kommode ausgemistet, die hatte mich wirklich belastet. Die anderen Sachen auf der Liste des Elends werde ich nach und nach angehen. Am Ende wird womöglich nicht alles geschafft sein. Sommer ist ein Gefühl und die lassen sich nun mal nicht auf Kommando erzwingen. Sie brauchen Zeit und Luft zum atmen. Die Eismaschine anwerfen hilft ungemein und ist ähnlich effektiv, wie eine Eistonne. Sitzen und Starren. Ich habe Geburtstag gefeiert und mit meinen Mädchen Keramik bemalt, ganz ohne viele Worte. Laufe langsam aus. Zwischendurch fallen mir all die Dinge und Situationen ein, in denen ich Murks gemacht habe. Im Geiste verräume ich Stück für Stück. Überlege, was ich anders machen möchte, was vielleicht doch gut lief, was wir hinbekommen haben, was weg kann. Das braucht seine Zeit. Manches schmerzt.
Ich will mich immer wieder freundlich daran erinnern, dass Müdigkeit und Gnade manchmal Hand in Hand gehen. Je größer die Anspannung war, desto nötiger, desto schmerzhafter die Dehnung. Und dann kannst du dich irgendwann zurücksinken lassen. Wohlig entspannt.
Normalerweise würde ich mich jetzt an dieser Stelle in eine Sommerpause verabschieden. Allerdings war die alltagsbedingte Pause derartig lange, dass mir das Schreiben eher wie ein wunderbares Sommervergnügen erscheint. Also wird es hier den ein oder anderen Sommerschnipsel geben. Einfach aus Lust an der Freude. Vielleicht lesen wir uns am Strand oder in den Bergen, am See oder in der Hängematte.
Wo auch immer es dich in diesem Sommer hinverschlägt, und sei es auf den eigenen Balkon, ich wünsche dir allen Segen einer schönen Reise, neue Eindrücke und Zeiten der Muße, Sommergefühle und gute Bücher, Eis in der Waffel und Zehen, die an die frische Luft dürfen. Dehne und strecke dich ruhig, auch wen es schmerzt. Spüre, wo es zwickt und zwackt. Danach, meine Liebe, danach… bleib behütet
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Liebe Sandra, danke fĂĽr deine – wie immer – so wohltuenden Worte. Sie kommen gerade zur rechten Zeit…
Es wĂĽrde mich sehr freuen, irgendwann in den nächsten Wochen wieder von dir zu lesen – das macht den Sommer glatt noch schöner.
Dir und deine Familie wĂĽnsche ich alle Freuden der wohlverdienten Sommerferien.
Liebe Grüße von einer, die noch nicht so lange hinter dem Pult steht 🙂