Versenkung

Jetzt musste ich doch gerade ein wenig schmunzeln, beim Öffnen dieser Seite, die mich mit ein paar Urlaubsbildern begrüßt. Wie lange ist dieser Urlaub her, 4 Monate oder 6, ach nee, doch erst 5 Wochen. Fühlt sich nur so lange an. Es ist gerade sehr viel Leben im Leben, fast schon ein wenig zuviel, wenn Du mich fragst. Schon häufig habe ich das Alltagsleben mit einem Karusell verglichen, eines, das langsam anfängt zu drehen und dann immer und immer mehr an Fahrt auf nimmt. Irgendwann verschwimmt das Außen, du versuchst dich gut festzuhalten, den Überblick zu behalten und keinen Drehwurm zu bekommen. Und Freude, Freude sollte auch immer dabei sein, sonst wird es schwierig. Soweit, so normal. Die letzten Wochen habe ich in einem Roller Coaster verbracht. Ich bin nicht sehr gut im Achterbahn fahren. Frag meine Kinder. Ich bin die, die Unten steht und die Rucksäcke hält. Schon beim Zuschauen wird mir übel genug.

Das Leben fragt gewöhnlich nicht danach, welche Form von Fahrgeschäften Du gemeinhin bevorzugst. Manchmal lässt es dich spazierengehen, manchmal schickt es dich Karusellfahren, manchmal steckt es dich amüsiert in einen Roller Coaster. Der zieht dich nach oben und lässt dich hinuntersausen, lässt dich beinahe aus der Kurve fliegen, aber eben nur beinahe, und ehe du Dich versiehst, steht plötzlich alles Kopf. Das ist mir nicht zm ersten Mal passiert und mittlerweile weiß ich- es kommen auch wieder andere Zeiten. Irgendwann kommt der Moment, an dem Du mit zittrigen Knien und flauem Magen unten angekommen bist. Dann ist es natürlich ausgesprochen nett, wenn da ein Bänkchen steht, auf dem jemand wartet. Jemand, der dich nicht aus den Augen gelasssen hat, während er den Rucksack hielt, und dir nun eine kleine Stärkung reicht, ein Käsebrot und eine Thermoskanne. Lieber Himmel, was für eine wilde Fahrt und wie mutig Du warst (warst Du nicht, alle wissen es, freiwillig wärst Du nie…, aber heij, was soll`s).

Ich erzähle Dir von meiner wilden Fahrt, aber ich kann Dich gleich beruhigen. Mir ist rein gar nichts Dramatisches passiert, keine Katastrophe, kein Abgrund, ich habe nur eine Runde auf der Achterbahn des Lebens gedreht. Auf dieser Runde begann ein neues Schuljahr und ich konnte ihm leider nicht so ausgeruht, erholt und aufgeräumt entgegentreten, wie ich es mir vielleicht gewünscht hätte. Zuviel hat meinen unruhigen Geist in Bewegung gehalten, zuviel lag und liegt ungeordnet in meinem Herzen herum. Das Wägelchen nahm harmlos seine Fahrt auf. Schulsachen in absurdem Ausmaß (der Irrsinn ist mittlerweile auf weiterführende Schulen übergeschwappt, ich bin sicher, dass es Expeditionen zum Südpol gab, die schlechter ausgerüstet waren, als ein deutscher Fünftklässer!), viele großgewordene Füße in viel zu kleinen Schuhen, die man den Sommer über aus den Augen verloren hatte, die man aber auch nicht in Adiletten ins neue Schuljahr schicken wollte.

Dann ging es rasant weiter. Unsere Jüngsten wurden an ihren neuen Schulen aufgenommen und ich kann Dir gar nicht sagen, mit wieviel Emotionen und Aufregungen das verbunden war. Ich hätte es wissen müssen. Ich habe es schon oft genug erlebt. Aber eben noch nie im Doppelpack und aushäusig berufstätig. Diese beiden Menschlein starteten jeweils ohne Sicherheitsnetz durch alte Freundschaften. Ganz neue Schulen, neue Abläufe, neue Kinder (wo werde ich sitzen, was, wenn die alle doof sind, was, wenn mich alle doof finden, was, wenn ich aufs Klo muss, was, wenn ich das alles gar nicht kann?) Dazu kamen die neuen Schulwege und die harte Erkenntnis- das Fahren mit der Bahn ist auch ein bißchen Glücksspiel (der Zug kommt nicht, der Zug kam nicht, der Zug fährt plötzlich woanders, der Zug war so voll, ich kam nicht hinein, wie erreiche ich Dich, verflixt, wo ist das Kind?!, wir kaufen jetzt Handies), oh mein Herz!.

Mitten in diesem Chaos feierten wir die Firmung unserer Tochter. Das hat mich sehr bewegt. Sie dort stehen zu sehen, diese junge Frau, die sie nun ist, mit ihrem ganz eigenen Kopf, ihren Entscheidungen, ihren Werten, ihrem Ja, zu Gott und seinem Segen. Und wo mein Herz schon so am Überlaufen war, Du weißt, es ist löchrig, wie ein Nudelsieb und lässt keine Gelegenheit aus, ein wenig zu viel zu fühlen, nun da wurde ich volljährige Mutter. Offenbar haben wir jetzt einen achtzehnjährigen Sohn. Offenbar ist aus diesem winzigen Wesen, das ich dem Gatten zu seinem 29. Geburtstag in die Arme legen durfte, offenbar ist daraus dieser blonde, große Kerl geworden, der gerade für seine Abiturprüfungen lernt. Häää?? Ich stieg auf den Speicher und kramte alte Bilder hervor. Sah dieses lächerlich junge Paar mit den dunklen Schatten unter den Augen. Sah, wie sie verzückt diesen Schatz hielten. Sah ihre große Liebe und ihre große Überforderung, den Drang und den Zwang alles richtig zu machen, ohne genau zu wissen, was dieses richtig eigentlich sein sollte. 18 Jahre ist eine Menge Leben. Wie dankbar ich dafür bin. Wie wehmütig. Und auch demütig. Nein, das war kein Spaziergang. Aber bis hierher sind wir gekommen, alle gesund, alle am Leben, einander zugetan und eng verbunden. Mehr Geschenk geht nicht.

Naja und dann wurden wir krank. Das war ja irgendwie zu erwarten. Irgeneine grippale Seuche hat uns ichtig auseinandergenommen und meine Stimme mitgenommen. Bei den Heranwachsenden im Haus brach große Angst aus, dass sie die Versäumnisse nicht würden nachholen können. Angst, zu versagen, Angst vor den Herausforderungen. Und während ich krächzend Mut zu sprach und aufmunternde Worte an Thymiantee reichte, dachte ich, was es doch für ein Segen ist, wen Du einen Ort hast, an dem Du deine Ängste aussprechen darfst. Wo Du ein warmes Bett hast und eine Schüssel Milchreis, wenn Du sechzehn oder achtzehn oder zehn Jahre alt bist und das Leben dich für eine Runde in einen Roller Coaster steckt.

Nun ist schon der Herbst da, meine liebste Zeit im Jahr. Der Wind rüttelt am Fenster und in der Schale liegen frische Äpfel. Es werden ruhigere, weniger aufgebrachte Tage kommen. Wie ist es Dir ergangen? Sitzt du wartend auf der Bank oder schüttelt dich das Leben gründlich durch? Karusell oder Achterbahn? So oder so, ich wünsche Dir Zeit zum Herbstluft riechen, Zimtschenecken essen und Nase ins Buch stecken. Ich wünsche Dir die stete Gewissheit, dass dich einer immer liebevoll im Auge behält, ein Plätzchen freihält, damit du dich ein wenig erholen kannst, wenn du Ruhe nötig hast, der dir zuhört, wenn das Herz überläuft oder die Angst dich übermannt. Bis bald.

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1 Kommentar zu „Versenkung“

  1. Ach liebe Sandra, danke für diesen wunderbaren Blogpost, der so dicht mit Leben und guten Worten ist!!! (und wie gut tut es mir, dass du mit deinem großen Sohn einige Schritte voraus bist! Das macht mir Mut, dass wir es bis dahin vielleicht auch schaffen können ;-)). ICh drück dich aus der Ferne und freu mich mit dir auf den Herbst!

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