Ein paar Löffel Medizin

Was ist nur los in diesen Tagen? Das immer noch neue Jahr und ich wollen einfach nicht warm werden miteinander. Sand im Getriebe und zwar seit Wochen. Am letzten Montag wähnte ich mich kurz in Sicherheit, freute mich über das Ende der Krankheitswelle und der Isolationshaft und fing schon mal das Räumen an. Als am Dienstag das Telefon um 9.15 Uhr klingelte, da wusste ich schon wer dran war, bevor ich auch nur in der Nähe des Hörers war. Nein, keine Morgenmuffeligkeit sondern hohes Fieber. Bitte sofort abholen. Am Mittwochmorgen gesellte sich ein zweites fieberkrankes Kind hinzu. Am Mittwochmittag war der Ofen aus. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Unsere Heizung wurde von einem Moment auf den anderen abgeschaltet, weil sie Abgase in unser Haus leitete, solche die man riechen kann und solche, die man eben nicht riechen kann. Ich danke meinem Geruchssinn und allen Schutzengeln, die uns vor Schlimmeren bewahrt haben. Am Donnerstag durften wir die grundlegende Erfahrung machen, wie es ist, wenn verwöhnte Westeuropäer mal ein Tag ohne Wasser auskommen müssen. Sehr lehrreich, aber ich hätte in diesem Moment gerne aufs Lernen verzichtet. Am Freitag zogen dunkle Migränewolken meinen Hinterkopf hinauf, während der sehr nette Heizungsbauer unsere neue Heizung installierte. Die Wolken verzogen sich die nächsten drei Tage nicht mehr. Am Samstagabend gegen 22.00Uhr badete ich in einem Meer aus Selbstmitleid. Am Sonntag fragte ich mich, wie ich nun mit der Lage umgehen wolle. Weiterbaden oder aufstehen und ein Handtuch suchen?

Die Antwort fand ich in Veronika Smoors kleinem Büchlein „Heiliger Alltag“, das mir inzwischen so ans Herz gewachsen ist. Einer der für mich wichtigsten Sätze lautet: „die einzige Medizin gegen Selbstmitleid ist Dankbarkeit“.  Und so stand ich auf aus meinem Vollbad auf, wenn auch seufzend, und suchte eine große Flasche Medizin. Lange suchen musste ich nicht, denn auch die fieseste Woche enthält genügend Momente, die nach einem Danke rufen. Danke

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  • für Hefekringel nach einem Rezept von leckerleckerliese.de , ich kann das Nachbacken nicht uneingeschränkt empfehlen, aber wenn dein Charakter etwas gefestigter ist als meiner und wenn du  deine Nachkommen im Zuckerrausch etwas besser im Griff hast, als ich die meinigen, ja dann holst du dir ein paar Stückchen Himmel ins Haus. Ich dachte ich sei schlau und habe gleich die doppelte Menge gebacken (wir sind schließlich viele). Danach musste ich unsere Küche bewachen, als sei sie der Tower of London und einer meiner Söhne nahm “ aus Versehen“ zwei Brotboxen mit in die Schule, was bei Vollkornbrot mit Käse noch nie passiert ist.
  • für Zeit mit meinen Kindern. Natürlich kommt man zu sonst nichts mehr, aber Krankheitstage bergen eben immer auch die Möglichkeit zum Basteln, Puzzeln , Malen. Einen Vormittag lang durfte ich mit meinen Jungs ein großes Baustellenbild ausmalen und das ist entspannender als jedes Mandala.
  • für unseren ersten Elternsprechtag als Eltern und dafür, dass es engagierte Lehrer mit einem hohen Maß an Sachverstand gibt. Wir wissen unser Kind in guten Händen und das ist ein richtig gutes Gefühl.
  • für eine liebe, liebe Freundin, die uns den Besuch dieses Elternsprechtages ermöglichte und unsere fünf Kinder mit Essen versorgte.
  • für Handwerker, die aus unserem Haus in kürzester Zeit wieder ein warmes Zuhause gemacht haben und dabei so nett waren.
  • für die gelungene Erstbeichte meiner Tochter und meiner ganzen Kommuniongruppe. Am Samstagmorgen trafen wir uns und bald wich die Aufregung einer wunderbar gelösten und trotzdem sehr ruhigen Stimmung. Als eine meiner kleinen Zweiflerinnen von ihrem Gespräch zurückkehrte, da strahlte sie über das ganze Gesicht und meinte fassungslos :“ Mir geht es so gut!“ Und ich weiß natürlich nicht, was mein kleines Mädchen sich von der Seele reden durfte, aber das Bild das sie in ihrer stillen Zeit danach legte, erfüllte mich wirklich mit Freude. So ist Versöhnung…
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  • für alles, was ich mit meinen Händen schaffen darf, kleine Erfolgserlebnisse im Alltag. Nun ist es fertig, dieses wunderbar leichte und doch wärmende Halstuch. Ich werde es auf die Reise schicken und hoffe, dass es ein wenig Freude schenken wird. Und dann fange ich von vorne an, weil ich mir jetzt nämlich auch dringend etwas Wärmendes um meinen Hals wünsche
  • für eine Hausärztin, die die Geduld mit uns nicht verliert und auch am Sonntagmorgen erreichbar ist.

Tatsächlich, eine große Dosis Dankbarkeit und das Leben sieht wieder anders aus. Diese Medizin wirkt, ganz ohne Nebenwirkungen, es gibt sie ohne Rezept und ganz kostenfrei. Ich kann sie uneingeschränkt weiterempfehlen.

Heute ist wieder Montag. Ich komme mit zwei meiner Kinder vom Arzt zurück. Der Scharlachabstrich ist positiv ausgefallen und ich sehe mich auf einen Schlag einer weiteren Woche Isolationshaft gegenüber. Mit dem Selbstmitleid scheint es wie mit den Fieberkrankheiten meiner Kinder zu sein. Es kehrt immer und immer wieder. Ich  gönne mir eine kurze Dusche davon, bevor ich den Medizinlöffel suchen gehe.

 

6 Kommentare zu „Ein paar Löffel Medizin“

  1. DANKE für das Veröffentlichen deiner wunderbaren, klugen Gedanken. Sie sind sehr bereichernd für mich!

  2. Mir ergeht es gerade ganz ähnlich. Und es ist schön mal bei Veronica Smoor oder Bianca Bleier oder Maria Lang rein zu lesen. Das trägt. Stricken ist auch so wohltuend. Etwas backen und eben das Gute zu sehen. Das hilft uns.

    Wir schaffen das schon in diesem verkorksten Winter.

    Alles Gute euch
    Andrea

  3. 🙂 🙂 😀 Ooooohhhh, vor lauter Geburtstagsfeiern und Terminen komm ich erst jetzt dazu, Deinen Beitrag zu lesen – freut mich voll dass die Hefekringel so gut ankamen… hahaha ich kenne das nur zu gut, sobald der Hefeduft dieser Teile durchs Haus zieht werden meine Kids zu gefräßigen Monstern :-D. Ich wünsche Euch von Herzen gute Besserung und hoffe, dass inzwischen etwas Ruhe eingekehrt ist! Danke für Deine tollen Texte, ich les Deinen Blog sooooo gern! LG, Miri

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