Lektionen

Letzten Sonntag hatte ich nach längerer Zeit mal wieder die Gelegenheit, eine flammende Autopredigt zu halten. Als Kind habe ich solche Autopredigten gehasst, denn es gab kein Entkommen. Heute finde ich sie manchmal ganz praktisch-denn es gibt kein Entkommen. Die Ursache meines Ausbruchs war leider keine weltbewegende oder auch nur halbwegs originelle, sondern nur das öde Thema Lernen und die irrige Annahme meiner Kinder, dass Wissen, insbesondere Schulwissen, eigentlich vom Himmel fallen müsse. Und eine mittlere Explosion von Frustration am frühen Sonntagmorgen, weil das zähneknirschend angegangene Lernen nicht in der Sekunde den gewünschten Erfolg hatte, sondern erstmal Lücken aufzeigte, die dazu angetan waren, klaftertief hineinzufallen  und Hindernisse, die auf den ersten Blick unüberwindbar schienen. Aus vielerlei Gründen ist das Lernen nun mal ein mühseliges Geschäft und selten die reinste Freude.image

So schön in Stimmung gebracht, konnte ich mir die Autopredigt nicht verkneifen und hielt ein flammendes Plädoyer für und über den Wert des Lernens. Müssen nicht schon allerkleinste Kleinkinder das Gehen erst umständlich erlernen? Und fallen sie nicht andauernd auf den Allerwertesten? Ha! Steht man eben wieder auf und versucht es nochmal! Hat man schon mal von jemandem gehört, der das Sprechen von einem Tag auf den anderen vollständig beherrscht?! Es ist doch wohl ein Privileg ein lebenslang lernen zu dürfen, zu scheitern, zu irren und wieder von Vorne anzufangen! Von Geburt an unfertig, ist der Mensch auf Entwicklung ausgelegt – (Achtung Tremollo in der engagierten Stimme) EIN LEBEN LANG!  Da wird man sich doch nicht von ein paar Ablativformen und mathematischen Unwichtigkeiten schrecken lassen!….am Ziel angekommen flüchteten meine erlösten Kinder aus dem Auto und ich folgte ihnen, noch ganz außer Atem von der Anstrengung.

Es dauerte nicht lange, da meldete sich die gehässige kleine Stimme, die irgendwo in meinem Hinterkopf wohnen muss.        „Was für eine kluge Mutter, du bist!“, säuselte sie erst zuckersüß. “ Sehr weise! Und auch überzeugend! Das Lernen….und so…aber hast du nicht gerade gestern erst den Gatten vollgeheult , wie es denn sein könne, dass du die immer selben sechs- acht Kilo jedes Jahr ab und wieder zunimmst? Dass eine vierzigjährige Frau es doch mittlerweile gelernt haben müsse und dass das alles grässlich frustrierend sei? Sind dir nicht gerade in den letzten Wochen tausend gute Gründe eingefallen, die gegen das Bloggen oder gar richtiges Schreiben sprechen? Und ist es nicht die Angst vorm Scheitern und davor, etwas Neues zu lernen und zu wagen, die dich abhält? Jaja, sehr weise bist du, vor allem, wenn es nicht um dich selber geht!“

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Garstige kleine Stimme, Recht hat sie. Aber ich eben auch. Und so verbot ich ihr auf der Stelle das Weiterzetern (wie gesagt, ich war in Fahrt) und ließ Ruhe ins aufgebrachte Herz ziehen. Ja, es ist ein Privileg zu lernen, es ist keine Schande unfertig zu sein und es gibt Lektionen, die benötigen mehr Zeit, als der lateinische Ablativ oder irgendwelche mathematischen Unwichtigkeiten. Manche von ihnen wollen tatsächlich ein lebenlang eingeübt werden. Gruselig wird es doch erst, wenn einer meint, er sei schon fertig und müsse nichts mehr lernen. Wer will denn Gott spielen? Wir sind Menschen. Und weil das Gnädigsein mit mir selber definitiv eine meiner Lebenslektionen ist, verzeihe ich mir die blöden sechs bis acht Kilo, lerne weiter, gut für mich zu sorgen und nehme halt wieder ab. Vielleicht hält es diesesmal ja länger? Ich schreibe einen Blogbeitrag und entschließe mich ein wenig mutiger zu werden, auch wenn es schiefgehen könnte. Oh und ich halte weiter flammende Plädoyers für das Lernen an allen Orten, in allen Bereichen, zu allen Zeiten. So öde ist das gar nicht…Also wenn du mich irgendwo zetern hörst…..

Außerdem diese Woche gelernt: Fladenbrot backen und Erdbeereis machen, wie man Hüpfkästchen springt und ein kleines Pulloverchen mit Kapuze strickt. Und das ich die Farbe Pink immer noch liebe.

6 Kommentare zu „Lektionen“

  1. Schön das auch andere Mütter Autopredigen halten. ?Und auch bei dir dann die kleine diese Stimme kommt. Ich dachte schon ich bin ein Einzelstück dem es so geht.

    Einen schönen Tag dir. Danke fürs Offen sein du hast mich sehr ermutigt.

  2. Oh, bitte immer weiter schreiben, ich lese dich sooooo gern 😉 Mensch, da hast du aber wirklich eine ganze Menge in der letzten Woche gelernt! Man muss aber zugeben, dass das Lernen mitten im Leben doch spaßiger ist als das Schul-Lernen und ich möchte wirklich nicht mit meinen Kindern tauschen… Sag ich denen natürlich nicht 😉 Liebe Grüße, Martha

  3. Ein herrlicher Beitrag :-)) Jaja, die Autopredigten, die kenne ich auch… Ich stelle allerdings fest, dass deine Kinder weiter sind als meine. Deine nehmen immerhin schon mal an, dass Wissen vom Himmel fällt. Folglich gehen sie davon aus, dass Wissen sinnvoll ist und irgendwie zu ihnen kommen sollte… 😉

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