Schaumhäubchen

In den Wochen vor Weihnachten, als es viel um Wünsche und Geschenke und Wunschzettel ging, äußerte eines unserer Kinder einen eigenartigen Wunsch. Es wollte ganz unbedingt und dringend einen elektrischen Milchaufschäumer haben. Und keinen gewöhnlichen, nein, dieser Schaumbereiter solle unter allen Umständen Kakao zubereiten können. Heiße Schokolade mit cremigem Schaum. Weil wir mittlerweile ganz gut darin sind dringende Wünsche von kurzlebigen “Habenwollen-Ideen“ zu unterscheiden, lag unter dem Tannenbaum ein elektrischer Milchaufschäumer. Preislich fällt das übrigens eindeutig in die Kategorie „ordentliches Geschenk“ und nicht in die der “liebevolle Kleinigkeiten“. Unter großem Hallo und neidischen Geschwisterblicken wurde Kakao bereitet, dass es nur so schäumte. Nun steht ein weiteres Gerät auf unserer Arbeitsplatte und ich beobachtete eine Weile misstrauisch, wie es sich damit verhalten würde. Jetzt mal ehrlich, wie häufig kommt denn der Sandwich-Toaster, das belgische Waffeleisen und die Crepes-Maschine zum Einsatz?! Siehst du, eben.

Mit dem Schaummacher verhält es sich erstaunlicherweise anders. Jeden Morgen um kurz nach sechs wecke ich ein unwillig knurrendes Schulkind. Dann passiert erstaunliches. Es schlurft in Richtung Küche und schmeisst die Schaummaschine an. Dann verzieht es sich, um schultaugliche Kleidung anzuziehen und kehrt pünktlich zurück, wenn der Kakao fertig gerührt ist. Schwups wird das Getränk in eine ganz bestimmte Tasse gefüllt, diese eine Tasse, die man nur mit der Hand spülen darf (und nein, ich spüle sie nicht) und dann verzieht sich das Kind mit dem geliebten Heißgetränk zurück in sein Zimmer auf das Bett. Man hört nur noch die Stimmen des Lieblingspodcasts durch die Tür, der dauert exakt zwanzig Minuten. Danach tauchen Kind nebst Tasse wieder auf. Die Tasse wird gespült und ein mittlerweile gesprächsbereiter Teenager verabschiedet sich entspannt und gelassen in die Schule. Das ist ein Morgenritual und zwar eines, das erstaunlich gut funktioniert.

Eines der anderen Kinder kümmert sich gerne um sein Essen und zwar vorzugsweise selbst. Stehen lange Schultage an, dann werden kleine Döschen mit Mandeln und Nüssen, mit Mangostreifen und Haferflocken befüllt. Äpfel werden geschnitten und etwas Warmes in den Thermobecher gefüllt. Weil es überhaupt keine Brötchen mag, werden für das Wochenendfrühstück die erstaunlichsten Sachen gezaubert. Irgendwas Gebackenes, mit geriebenen Äpfeln und etwas Ahornsirup, ein warmer Porridge mit frischem Obst, eine Quarkspeise mit leckeren Zutaten. Es vergisst nie, sich einen warmen Becher Tee mit auf den Weg zu nehmen und abends ins Zimmer. Ich habe Glück und bekomme manchmal etwas ab. Das ganze ist mit Aufwand verbunden, das ist offensichtlich, aber der Aufwand lohnt, das ist ebenso offensichtlich. Das Kind sorgt gut für sich, es ist sich diese Arbeit wert.

Ich stelle fest, dass ich jetzt endgültig in einem Alter angekommen bin, in dem ich mehr von den Kindern lernen kann, als die Kinder von mir. Zumindest aber ist ein Klüger-Werden auf Augenhöhe. Das durchschnittliche Schulkind hat volle Tage, viel zu tun, viel zu denken und viel zu bewältigen. Nicht alles gelingt, es hat Kummer und Sorge, vermisst die Sonne und den Frühling, muss sich mal ärgern und darf sich auch freuen, na es lebt eben ein ganz normales Alltagsleben, wie jeder Erwachsene auch. Immer wieder lesen, schreiben, hören wir, dass wir das kleine Glück suchen und finden sollen, dass wir nicht müde werden dürfen, die winzigen Wunderbarkeiten des Lebens an jedem Tag zu feiern, die Geschenke, die der Himmel jeden Tag blühen, zwitschern und leuchten lässt. Und ich unterschreibe alles davon. Aber weisst du, was ich gerade von meinen Kindern lerne? Für das kleine Glück kannst, darfst und musst du auch und vor allem selbst sorgen. Einfach, weil du es dir wert sein darfst. Weil du am besten weisst, was dein Herz zum hüpfen bringt, so ein kleiner Freudenhüpfer der Glückseligkeit, für einen Moment oder zwei, für eine Kakaolänge im Bett. Es ist doch ein großes Glück, dass es dich gibt und warum solltest du diesen Umstand nicht jeden Tag ein bisschen feiern? “Nirgends steht geschrieben, dass das Leben einfach werden wird,“ ist ja ein gern genommener Satz für alle Widrigkeiten, die sich einem so bieten. Ja, ja, das stimmt wohl. Aber es steht auch nirgends geschrieben, dass es nicht auch und trotzdem und vor allem etwas Spass machen sollte. Dafür braucht es gar nicht viel, aber tun musst du es eben.

Hast du schon mal überlegt, was dein kleines Alltagsglück ist oder sein könnte, dein Schaumhäubchen an einem gewöhnlich verregneten Mittwoch mit Schmutzwäsche im Keller und Arbeit, die sich nur so stapelt? Was macht dir eine kleine Freude, schenkt dir einen Augenblick der Entspannung und Fürsorge? Was könnte dein kleines Ritual sein, um entspannt durch den Tag zu kommen, deine Schüssel mit warmen Porridge, die dir Sattheit und Zufriedenheit schenkt? Dann nur zu, sei es dir wert, du bist doch ein Gottesgeschenk, vergiss das nicht! Ich für meinen Teil schnappe mir jetzt den Hund und gehe an die frische Luft, aber vorher spüle ich noch meine Lieblingstasse, die, aus der ich quasi ausschließlich trinke, weil sie einfach nicht aufhören will, mich froh zu machen. Hab es fein meine Liebe, komm gut durch die Zeit, du bist behütet.

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1 Kommentar zu „Schaumhäubchen“

  1. Deinen Blogartikel zu lesen (bevor ich mich an das nächste To Do setze) war schon ein Schaumhäubchen. Danke dafür! Und hat mich dazu inspiriert dem lästigen Papierkram mit Musik und Kerze auch ein Häubchen aufzusetzen – auch dafür ein Dankeschön!

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