Gestern am Abend, genau 19.12 Uhr, klingelte bei uns das Telefon. Die Mutter eines Schulfreundes rief wegen einer Verabredung am kommenden Wochenende an. Gestern Abend, genau 19.12 Uhr, herrschte bei uns das absolute Chaos, eine Kakophonie an Geräuschen, ein Meer aus wogenden Stimmen und familiärem Durcheinander. Der Gatte war außer Haus und ich mühte mich allein mit dem allabendlichen Tanz zwischen Abendbrot und Zubettgehen, denn ehrlich gesagt herrscht bei uns jeden Abend um 19.12 Uhr so ein Durcheinander. Der Tisch will abgedeckt werden (oh, keine Sorge, die lieben Kleinen helfen, da bin ich eisern. Aber das bedeutet eben auch absolute Lebensgefahr für Teller und Tassen, für Käsestücke und Fleischwurstdosen), immer und immer fällt mindestens ein Glas um (ist es überhaupt eine richtige Mahlzeit, wenn nicht wenigstens eine Wasser/Saft/Milchlache auf dem Tisch schwimmt?), Kleinkinder leben noch schnell die Reste ihres Bewegungsdranges aus, als wüssten sie genau, dass sie nun für die Dauer einer ganzen Nacht nicht zum Rennen kommen, die letzten Schulfragen werden geklärt, ich schmiere Pausenbrote und suche Brotdosen. Ich finde keine in ausreichender Zahl.  Dann schicke ich Kinder auf die Suche nach Brotdosen und sie unternehmen Tiefseetauchgänge in die Abgründe ihrer Schulranzen um irgendwo verschollene Dosen auszugraben. Jeden Abend halte ich den selben Dosenvortrag, er hängt mir selbst schon zu den Ohren raus. Dazwischen tauchen mittlerweile nackte Kleinkinder auf, die beschlossen haben, dass sie JETZT SOFORT einen Schlafanzug und neue Windeln brauchen, vorher wollen sie noch aufs Töpfchen, aber ich will zu erst, aber der sitzt auf dem Mädchentopf, dass darf er nicht, Mama du musst jetzt rufen, Mama du musst jetzt was sagen, Mama der hat mir wehgemacht, MAMA!!!- da ist was gekommen!
Also genau in diese allabendliche Normalität schrillte das Telefon und sofort begann ein Wettrennen, wer zu erst an den Hörer darf. Ich renne da nicht mehr mit, sieht zu albern aus. Die Frau am anderen Ende des Hörers ist sehr nette Mutter von zwei wunderbaren, wohlerzogenen Buben im stabilen Alter. Stabiles Alter meint, dass sie schon lange nicht mehr spontan und unvermittelt auf Teppiche kotzen oder sich laut brĂĽllend auf dem FuĂźboden wälzen, aber sich eben auch noch nicht in pieksiges StachelgestrĂĽpp verwandelt haben. Nette Jungs halt. Die Frau versuchte sich Gehör zu verschaffen, ich zischte wie eine wildgewordene Schlange: pscht, pscht. Nutzlos. FĂĽnf Kinder jagten durchs Haus. Ich unternahm einen Fluchtversuch aufs Klo ( ist weniger entwĂĽrdigend als man denkt und hin und wieder effektiv). Auf der Flucht sah ich aus den Augenwinkeln eine Glasflasche fliegen- ha!- gefangen! Ich gab den Fluchtversuch auf. Laut „Ruhe“ brĂĽllen war keine Option, was soll die Ă„rmste am anderen Hörer denn denken. Ich hoffte auf den Hund, den ich am anderen Ende der Leitung wusste. Aber noch nicht mal der fing an zu kläffen, auf der anderen Seite war es einfach ruhig. Meine Stimme wurde immer lauter, im BemĂĽhen mich verständlich zu machen, die meiner Kinder dummerweise auch. Erstaunlich wieviel Stimme in eine Dreijährige passt. Irgendwann hatte die Beste -Freunde -Mutter Erbarmen und nachdem sie es dreimal wiederholt hatte, verstand ich es auch. Sie wĂĽrde einfach morgen am Vormittag nochmals anrufen. Aahh, danke, gute Nacht!
Um 19.30 Uhr gestern am Abend saĂźen fĂĽnf gewaschene Kinder mit frischen SchlafanzĂĽgen und geputzten Zähnen friedlich auf dem Sofa und warteten aufs Vorlesen. Nur noch ein paar verhaltene Grabenkämpfe um die Spitzenplätze (auf, neben, ĂĽber Mama), dann kehrte Ruhe ein. Weitere dreiĂźig Minuten später lagen alle eingemummelt in ihren Betten und ich sang mich dreimal durch „weiĂźt du wieviel Sternlein stehen“, fĂĽhrte noch ein paar dringliche Bettkantengespräche und sprach den Segen ĂĽber jedes dieser Minimonster. Um 20.30Uhr sank ich auf die Couch. Das Telefon schwieg. NatĂĽrlich. Kurz ĂĽberlegte ich, ob es mir nun sehr peinlich sein mĂĽsste, dieses Telefonat, das keines war. Aber dann dachte ich: Nein! So isses bei uns!
Danke, danke, danke fĂĽr diesen Artikel!!
Ich dachte bisher, nur bei uns sei das so 🙂