Vor einigen Tagen schon fand eine aufregende Premiere im Hause 7Geisslein statt. Wir durften zum ersten Mal Zuschauer eines echten FuĂźballspiels sein, live und in Farbe. Die Aufregung war tagelang vorher spĂĽrbar gewesen, Vorbereitungen wurden getroffen, das Wetter an diesem Samstag: kalt aber gut. Wir standen am Spielfeldrand, als die Akteure mit der angemessenen Ernsthaftigkeit und Anspannung den Platz betraten, wobei sie die wartenden Fans keines Blickes mehr wĂĽrdigen konnten – man war schlieĂźlich hochkonzentriert. Der Anpfiff kam und wir sahen einer Horde F-Jugend-Spieler beim FuĂźballspielen zu. Einer davon, und das war die groĂźe Premiere, war unser Erstklässer. Hach, der Gatte und ich quollen ĂĽber vor Freude und Stolz auf dieses Kerlchen, das alles gab. Seine Geschwister auch- wenigstens die ersten fĂĽnf Minuten, dann mussten sie ein Stöckchenlager anlegen und Käfer suchen.
Nun, magst du vielleicht denken, dass Elternliebe und Elternstolz manchmal schon seltsame BlĂĽten treiben, denn schlieĂźlich rennt wahrscheinlich jeder zweite Sechsjährige samstags auf einem der FuĂźballplätzen dieser Welt herum. Aber ich sah an diesem Samstagmorgen nicht nur den Augenblick, ich sah den ganzen langen Weg, den dieses Kerlchen bis zu diesem Moment gegangen war. Der Weg vom „latetalker“ und motorischem Spätentwickler zu einem freudestrahlenden Fussballbuben hat ihn unzählige Therapiestunden, zähe Ăśbungseinheiten und unendliche Geduld gekostet. Mit unglaublicher Beharrlichkeit, unbeirrt und mit meist fröhlichem Gesichtchen ist er diesen Weg Schritt fĂĽr Schritt gegangen. Ich, Frau Ungeduld ist mein zweiter Name, ziehe den Hut vor meinem Sohn und den tausenden von kleinen Schritten, die er in den letzten Jahren gegangen ist. Manchmal glaube ich ja, dass wir fast mehr von unseren Kindern lernen dĂĽrfen, als sie von uns. Dieses Kind lehrte und lehrt mich wohl eine der wichtigsten Lektionen in meinem Leben, ich verinnerliche sie immer mehr und sie nimmt mir eine immense Last von meinen Schultern: es ist die Lektion der „langen Wege“. Sie gilt fĂĽr mein ganzes Leben.  Das Wachsen und Werden, das GroĂźwerden und Entwickeln braucht  Zeit. Lange Wege brauchen langen Atem, aber sie geben eben auch Raum und Luft. Nicht alles muss immer sofort und im Moment perfekt sein. Nicht alles muss immer funktionieren. Nicht alles ist fĂĽr immer vorbei, nur weil es gerade noch nicht da ist. Auf das erste „Mama“ meines Jungen habe ich ĂĽber zwei Jahre gewartet. Wenn ich mir und meinen Kindern diese Zeit gebe, dann können wir den Weg genieĂźen, innehalten und entdecken. Und vorwärtsgehen, Schritt fĂĽr Schritt. Das Leben ist keine Abfolge von kräftezehrenden Sprints und Lebensterminen, die pĂĽnktlich eingehalten werden mĂĽssen. Nicht alle Schwierigkeiten, die sich einem Menschenkind in den Weg stellen, mĂĽssen in der Sekunde gelöst werden. Diagnosen und Prognosen die mir bezĂĽglich meiner Kinder gestellt werden, schrecken mich immer weniger, denn die wenigsten trafen je ein oder zu.  Die zu werden, als die wir gedacht wurden, ist eine Lebensaufgabe, die nicht direkt Schnappatmung auslösen sollte, sondern uns einlädt, einen FuĂź vor den anderen zu setzen und zu schauen, wo die Reise hinfĂĽhrt.
Im Kampf gegen das Alltagschaos, das sieben Menschen in einem Haus anrichten, bin ich ja dankbar für jede Inspiration und jeden Rat. Also habe ich mir direkt den neuesten Lösungsgeber auf dem Markt angeschafft. Der liest sich wirklich ganz fantastisch. Dummerweise ist es mit der Anschaffung ja nicht getan, auch hier will umgesetzt, entwickelt und angepasst werden. Ich würde das gerne im Moment des Lesens schon getan haben und dann lächelnd durch das strahlend helle, wohlsortierte Wohlfühlzuhause schreiten. Pustekuchen. Tausende Schritte werden notwendig sein und ich darf mir die Zeit nehmen, sie alle zu gehen. Wobei ich mir das Durchhaltevermögen, das dafür nötig sein wird, auch von meinem Söhnchen abschauen kann.
Das Fussballspiel an diesem wunderbaren Samstagmorgen endete 2:0 fĂĽr die gegnerische Mannschaft. Wurscht, denn wir haben das Etappenziel auf einem langen Weg gefeiert.
„Manchmal glaube ich ja, dass wir fast mehr von unseren Kindern lernen dĂĽrfen, als sie von uns.“ *dick-fett-unterschreib* So ist es… (Dieses Buch wäre vermutlich auch was fĂĽr uns… Aber nun hab ich grad erst „Das Haus, das sich von selbst aufräumt“ bestellt … 🙂 )
Ein toller, berĂĽhrender Beitrag! Vielen lieben Dank!
Alles hat seine Zeit, das will ich mir auch wieder neu vor Augen halten.
Herzlichen Dank nochmal und Kraft und Geduld fĂĽr deine Familie! !