Alte Grenzen und neue Wege

„Ich habe uns einen Tisch in einem afrikanischen Restaurant reserviert!“.

“ Ich habe uns zu einem FrĂĽhstĂĽck fĂĽr Ehepaare zum Thema „Streiten“ angemeldet. In einer Freikirche!“.

Der Gatte und ich haben uns letzte Woche gegenseitig ĂĽberrascht. Und waren nur einen kurzen Moment sprachlos, dann siegte die Neugier. Wir waren gespannt auf  gleich zwei Events an einem Wochenende, die wir uns da unerwarteterweise gegenseitig verschafft hatten. Nicht, dass wir nicht abenteuerlustig wären. Wir mĂĽssen abenteuerlustig sein, denn sonst hätten wir keine fĂĽnf Kinder. Aber im normalen Alltagssammelsurium mit vollgepackten Tagen und Kinderirrsinn von frĂĽh bis spät, geht die Abenteuerlust manchmal im Wäschekorb verloren. Afrikanisch essen ? Echt? Was isst man denn da so? „Gegrillten Zebrahintern“, feixte mein Sohn. Also wirklich! Aber ich hatte tatsächlich keine Ahnung von afrikanischem Essen, nicht mal die leiseste Vorstellung. Und ich war auch noch nie zu Besuch in einer freikirchlichen Gemeinde. Der Gatte auch nicht.Wobei ich davon schon viele Vorstellungen hatte. Manche waren ein bisschen gruselig, aber keine basierte auf eigenen, echten Erfahrungen.  In einem 7 Personen Haushalt kann es nicht schaden, ein paar Grundprinzipien zum Thema „Streiten“ wieder aufzufrischen und fĂĽr Kinderbetreuung war da auch gesorgt. Also los.

Am Samstagmorgen zogen wir los und wurden nett empfangen. Sehr freundliche Menschen, sahen alle ganz normal aus, keiner hüpfte wild umher oder machte verrückte Sachen. Stattdessen war das Frühstück liebevoll vorbereitet, der Vortrag war ansprechend und brachte die ein oder andere neue Erkenntnis, die Kinder hatten einen tollen Vormittag mit schönem Programm. Zufrieden kehrten wir von unserem Ausflug ins Unbekannte nach Hause zurück und brachten den Flyer für die Sommerfreizeit mit. Meine Großen wollen da gerne hinfahren.

Am Abend machten der Gatte und ich uns dann auf gen Afrika. Von Eheabenden hat der Mensch ja schon viel gehört, von ihrer Wichtigkeit und Notwendigkeit in der Beziehungspflege und fĂĽr den eigenen Erholungsfaktor. Aber auch sie verschwanden in den letzten Jahren häufig im Wäschekorb, oder zwischen Windeln und MathebĂĽchern, Terminen und Kinderkrankheiten, zwischen lauter „wir mĂĽssten und wir wollten doch“. Weil nicht stattfindet, was man nicht plant. Also schenkte ich dem Gatten zum Geburtstag fĂĽnf Abende. Jeden Monat einen und hatte die Babysitterin auch direkt fĂĽr alle fĂĽnf Monate im voraus gebucht. Es hat geklappt. Und weil uns das sehr viel Freude gemacht hat, machen wir einfach so weiter, ganz ohne Geburtstag. Jeden Monat ein Abend fĂĽr uns. Termine stehen bis zum Sommer im Kalender und die Babysitterin weiĂź Bescheid.

Diesmal also Afrika. Wir betraten das kleine, völlig überfüllte Restaurant und wurden freudestrahlend begrüßt. Überraschenderweise arbeitet da eine Bekannte des Gatten, der Laden gehört ihrer Tante und unser kulinarischer Mut wurde belohnt. Sie freute sich nicht nur uns zu sehen, sie bewirtete uns auch nach allen Regeln der Kunst. Wir futterten uns durch Vorspeise, Hauptgang und Dessert, füllten unsere Bäuche mit den verschiedensten, würzigen Speisen und waren hinterher kugelrund und schwer begeistert. Ein ganz neues Geschmackserlebnis, nicht alles sagte mir zu, aber das Meiste und ich habe definitiv nicht zum letzten Mal afrikanisch gegessen. Oder Mangobier getrunken. Ganz beseelt rollten wir nach Hause. Wirklich erstaunlich, was ein einziges Wochenende zur eigenen Horizonterweiterung beitragen kann, wenn man sich nur auf den Weg macht. Und genau da liegt der springende Punkt. Du musst dich auf den Weg machen. Und sei es im Kleinen. Natürlich können wir in unserer Lebenssituation weder große Reisen unternehmen noch fremde Kulturen erforschen. Aber die Möglichkeiten direkt vor der Haustüre sind zahlreich, wir müssen nur rausgehen.

Ich bin gerne katholisch, nicht unkritisch, wahrlich nicht, aber sehr bewusst. Und natürlich, wie fast alle Christen, die ich kenne,  bin ich eine große Freundin der Ökumene. Aber häufig habe ich den Eindruck, dass Ökumene bedeutet, die anderen herzlich willkommen zu heißen, wenn sie sich unseren Stiefel anziehen. Selten wird Ökumene so begriffen, dass man sich selbst auf den Weg zu macht, sich einen eigenen Eindruck verschafft und das ein oder andere auch als Bereicherung mitnimmt, ohne den anderen ändern zu wollen. So lange wir versteckt hinter unseren eigenen Grenzen bleiben und abwarten, werden wir einander nicht kennenlernen, sondern nur unsere kruden Vorstellungen voneinander pflegen. Dann bleibt alles Gerede nur hohle Phrase.

Nach diesem Wochenende bin ich wild entschlossen, dass Pflänzchen Abenteuerlust wieder etwas mehr wuchern zu lassen, mal eine neue Abzweigung zu nehmen, anstatt immer die selbe ausgebaute Straße. Ich will neugierig bleiben, auf neue Geschmäcker, Worte, Menschen, auf andere Arten, das Leben und den Glauben zu gestalten, auf Farben und Gerüche und ja, auch auf meine eigene Ehe. Stell dir nur vor, um wie viele Farben das Leben vielfältiger und damit bunter wird, um wie viele gute Begegnungen gestärkt, um wie viele Geschmäcker reicher und intensiver? Stell dir nur vor!

 

7 Kommentare zu „Alte Grenzen und neue Wege“

  1. „Und genau da liegt der springende Punkt. Du musst dich auf den Weg machen. Und sei es im Kleinen.“ – Liebe Sandra, das nehme ich fĂĽr den heutigen Tag und hoffentlich noch viele weitere Tage mit. DANKE!

    1. Ach ja, und „bei keiner hĂĽpfte umher“ und so weiter musste ich lachen, was mir, wenn ich allein bin, eher selten passiert. Danke fĂĽr deinen wunderbaren Schreibstil, ich liebe ihn!

  2. Das inspiriert mich mal wieder, liebe Sandra. Mein Mann hat doch bald Geburtstag und neuerdings haben wir eine Babysitterin (erwachsene Tochter einer Freundin) nur drei Häuser weiter wohnen. Und wir oft waren wir schon weg??? Mein Mann hat nächsten Monat Geburtstag und einmal im Montag find ich ein gut umsetzbares MaĂź. Also danke fĂĽr den Anstubser! Wir waren ĂĽberigens letztes Wochenende auch bei einem Ehetag zum Thema Kommunikation. Das war ebenfalls mal wieder anregend, auch wenn man ja vieles schon weiĂź. „Keine Vergleiche mit Tieren oder Verwandten!“, scherzte der Referent beim Thema Respekt. Und mein Mann so zu mir: „Du, Mausi….“ 🙂 Es war also lustig – und gut. Ich gehe voll gern und mit viel Neugier in andere Gemeinden, z.B. wenn wir Freunde woanders besuchen oder im Urlaub. Liebste GrĂĽĂźe, Martha

  3. Liebe Sandra, ja, so sind die Eheabende bei uns in der letzten Zeit auch verschwunden. Was nicht fest geplant ist, startet dann irgendwann gegen 22.00 Uhr mit „Wollten wir nicht heute Eheabend…“ Von daher, danke fĂĽr den Impuls, diese Geschenkidee wird heute noch umgesetzt, kommt nämlich genau passend. Liebe GrĂĽĂźe, Jojo

  4. Pingback: „Aufgeräumt!“ – Impulse zur Fastenzeit (4) – FamilienLeben mit Gott

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