Schreibst du enthusiastische Blogposts über die wunderbare Erfindung des Muttertages in all seiner Herrlichkeit, dann musst du diesen Tag natürlich auch aushalten- in all seiner Herrlichkeit. Keine Sorge, ich bleibe dabei: Muttertag ist großartig. In diesem Jahr war er besonders großartig, denn er offenbarte die ganze Fülle, die dem Mutter- Sein zu eigen ist und die ich ja unbedingt an diesem Tag gewürdigt wissen wollte.
Natürlich wurde ich ordnungsgemäß und wie es sich gehört schon im Bett mit Geschenken überhäuft (sogar die bunte Holzperlenkette fand sich wieder…), so dass es die reine Freude war- nur ein kleiner Wichtel stand da und hatte kein Geschenkchen. Und er konnte wirklich rein gar nichts dafür. Das Drama nahm an Fahrt auf, Tränen flossen und die reinste Verzweiflung einer Kinderseele brach sich Bann. Da kannst du fünfzig mal versichern, das dies doch gar nicht schlimm sei, ehrlich, „du bist mir doch das größte Geschenk“- denn für diesen kleinen Menschen war es die reinste Katastrophe, als einziger ohne Geschenk für seine Mama dazustehen. Die Verzweiflung hielt sich den ganzen Vormittag, ich verkrümelte mich alleine in die Kirche, während eine große Schwester sich erbarmte und den Farbkasten rausholte.
Während ich mich noch am selbst gepinselten Bild erfreute, der Gatte sich an die Zubereitung des Lieblingsessens machte und die Sonntagsstimmung überlegte ins Haus zurückzukehren, verunglückte der kleine Pechvogel mit einem Rollbrett so heftig, dass es uns gerade noch möglich war, den Backofen auszuschalten und der verbleibenden Schar ein paar Anweisungen zuzubrüllen, während wir uns mit dem schockstarren Kind und seiner verdutzten Schwester auf den Weg ins Krankenhaus machten. Natürlich passiert so etwas immer sonntags, das ist ja klar, das begreifen ja schon Anfänger. Die Damen und Herren in der Notaufnahme waren sehr nett, sie versorgten uns mit beruhigenden Worten, einer gutgesetzten Naht am aufgeplatzten Kinn, einer ausreichenden Menge an Schokolade und einem Vorrat an Klammerpflastern. Aus dem kleinen Unglücksraben wurde umgehend ein tapferer Held, der zwar noch etwas grün im Gesicht, aber mit Stolz gerecktem Kinn nach Hause zurückkehrte.
Der Gatte und ich waren auch grünlich im Gesicht, der Schreck saß uns echt in den Gliedern. Gegen Abend versuchte der unbeirrbare Mann sich wieder an der Zubereitung des Lieblingsessen, aber mittlerweile war aus einer wagen Ahnung Gewissheit geworden: wir hatten wirklich alle den Magen- Darm Infekt unseres Ältesten geerbt, saßen mit angeekeltem, schon wieder oder immer noch grünem Gesicht und schmerzenden Gliedern vor vollgefüllten Tellern und verschmähten das liebevoll zubereitete Festtagsessen. Das war`s. Der Rest ist Kamillentee. Der Tag und ja, hmmm, auch die darauffolgende Nacht, bot alles, was das Leben spannend, lustig und interessant macht. Liebe und Küsse, Drama und Tränen, Schmerzen und Spannung, Scheitern und Gelingen, Trost und Verzweiflung, kitschig pink und grün-grau. Die ganze Bandbreite, das Leben in Fülle- da war es. Und wollte genauso gefeiert werden. Dem Himmel sei Dank verfügt diese Familie über einen großen Vorrat an Humor. Der ist unabdingbar, wenn du auch diese Tage feiern willst. Und vergessen werden wir diesen Muttertag natürlich nie, allein die Narbe am Kinn unseres Sohnes wird uns erinnern.
Die ganze verbleibende Woche durften wir von dieser Fülle kosten. Ein gespenstisch ruhiger Montag auf der Couch, alle krank, alle müde, alle erschöpft. Sogar die Sonne hatte sich verzogen und Regen prasselte gegen die Scheibe. Nach und nach kehrten wir zurück ins Alltagsleben, schön nacheinander, nur nichts überstürzen.
Und dann wurde doch noch gefeiert. Den Frühling im Kindergarten, die allerletzten Klassenarbeiten für dieses Schuljahr, Spielbesuch, Mittagsgäste und Frühstück mit Freundinnen, sogar an die rechtzeitige Freischaltung für die Schulbuchausleihe habe ich gedacht und selbst das Passwort vom letzten Jahr fiel mir wieder ein- das ist wirklich feierwürdig. Hochgefühle und Sonnenschein, dazwischen normales Alltagseinerlei.
Dann bekam der Gatte grässliche Zahnschmerzen, die ihm den Schlaf raubten und dafür sorgten, dass er um ein Haar seine eigene Beförderung verpasst hätte, die man in Rheinland- Pfalz dummerweise nur an diesem einen Tag des Jahres erlangen kann. Drama, überstürzte Autofahrten, Herzrasen und laute Verwünschungen- uff, gerade nochmals gutgegangen. Erschlagen von all der Aufregung sank der Gatte auf der Gartenbank nieder, während ich aus den Tiefen des Kellers noch eine Flasche Sekt fischte. Wir stießen an, auf dieses Leben in all seiner verrückten Pracht, das uns manchmal um die Ohren pfeift, dass es nur so saust, das uns in all seinem Reichtum geschenkt wurde und uns manchmal etwas atemlos zurücklässt. Sonntag Regen, Montag Sonnenschein. Up an down. Knäckebrot und Käsekuchen, Sekt und Selters. Das Leben in Fülle- da ist es.
Heute scheint mal wieder die Sonne, meine geliebten Rosen wuchern, dass es eine Freude ist. Unfassbarer Weise sprießen aus den eingepflanzten Kürbiskernen wirklich grüne Pflänzchen. Kindergezanke dringt an mein Ohr und irgendwo knallt eine Tür. Wer weiß, was der Tag noch bringen mag? Ich hoffe, du kannst ihn genießen, in all seiner Pracht und Herrlichkeit.