Herzlich Willkommen lieber September, was habe ich mich nach dir gesehnt! Ich weiß, es ist ein alter Schuh, aber September und Oktober sind nun mal meine absoluten Lieblinge im Jahreskreis und ich freue mich wie ein Kleinkind an Weihnachten. Endlich! Die Luft riecht anders, das Licht fällt anders, Vollernter rumpeln durch die Straßen, die Weinstöcke biegen sich unter ihrer Last, Farben über Farben und glücklich krame ich meine alte Teetasse aus dem Schrank, die ein verlässlicher, echter Seelentröster ist, aber bei 35 Grad im Schatten einfach zu nichts nütze. In der Sonne sitzen und sie genießen können, ohne Angst vor Sonnenstich und Hitzschlag ist doch einfach der Hammer! So fällt er mir sehr leicht, der Abschied vom Sommer, fast scheint es, als sei ich eine flatterhafte, untreue Person, wie ich so fröhlich mit dem September davon ziehe und dem Sommer, der uns doch so viele schöne Tage schenkte, kein Abschiedstränchen gönne.
Aber mit dem heißen August sind wir ins Chaos gestürzt und nichts kann ich weniger gut aushalten, als das Gefühl von Chaos, lose, wirre Fäden, die ich zu ordnen suche, das Gefühl, überrannt zu werden. Da war (und ist…) der ganze Schulkladderadatsch, fieberheiße Scharlachkinder (hübsch hintereinander, sonst hätte man ja nichts davon), ein kaputtes Auto, das mich nötigte vier Tage alle Wege zu Fuß zu gehen und nölende Kleinkinder bei 32 Grad nach Hause zu lotsen, ein Haus voller Handwerker über Tage hinweg, ein weiterer Elternabend, der mich aus der Fassung brachte, Geburtstagsvorbereitungen und die allgemeine Weltlage. Keine Zeit zum schreiben, keine Zeit für Sport, keine Zeit für irgendetwas, zusammengeschnurrte Tage, die einen atemlos und völlig überdreht ins Bett sinken lassen, nur damit man schlaflos den Tag Revue passieren lassen kann.
Am Ende dieses irren Monats musste ich häufiger an meine wenigen (wirklich lächerlich wenigen) Hebräisch-Kenntnisse denken, an den einen Satz, den ersten der Genesis, in der alles ein einzig Tohuwabohu, ein Irrsal und Wirrsal ist. Es scheint wohl eine Gesetzmäßigkeit des Lebens hier auf Erden zu sein, dass es erst ein ordentliches Irrsal und Wirrsal braucht, bis die Dinge zu einer neuen, lebensfreundlicheren Ordnung finden, in der alles wachsen und gedeihen kann, in der Entwicklung möglich ist, in der wieder Licht wird und die Dunkelheit sich verzieht.
Jetzt standen wir in den letzten Wochen natürlich nicht gerade am Rande der Urflut, aber es fühlte sich schon sehr nach Irrsal und Wirrsal an und wenn du durchs Chaos irrst, dann beschleicht dich irgendwann die leise Befürchtung, dass es ab jetzt für immer so bleiben wird und das ist ziemlich beängstigend. Denn manchmal kann man das Durcheinander nicht aus eigener Kraft bekämpfen, manchmal muss es einfach ausgehalten werden, weil die Umstände nun mal so sind, wie sie sind. Dann ist deine einzige Aufgabe, den Kopf über Wasser zu halten und zu üben, das Vertrauen nicht zu verlieren. Denn irgendwann wird aus dem heißen August September, irgendwann wird die Luft wieder klarer, irgendwann legt sich das Irrsal und das Wirrsal und etwas Neues ist entstanden. In unserem Falle werden Scharlachkinder wieder gesund, unser etwas in die Jahre gekommene 80er Jahre- Haus bekommt einen neuen Anstrich (und mein Herz hüpft wirklich jeden Morgen vor Freude, wenn ich in unser helles Wohnzimmer mit frisch gestrichenen weißen Fenstern komme), aus dem Schulkladderadatsch wird langsam Alltag mit Struktur, das Auto fährt wieder (und erfährt eine ganz neue Wertschätzung, das kannst du mir glauben).
Manche Dinge liegen noch immer im Tohuwabohu und ich fürchte, da werden sie auch noch eine lange Weile bleiben, in unserer kleinen Welt und in der großen Welt, außerhalb unserer geschützten vier Wände. Es braucht einen langen Atem, viel Geduld und vor allem Vertrauen in den, der das Licht in die Finsternis brachte.
An einem der letzten Samstag stand ich vor einem der schönsten Gebäude und Gotteshäuser, die ich kenne: dem Speyrer Dom. Der Speyrer Dom verkörpert für mich nicht nur ein Stückchen Heimat, nein, seine schlichte Schönheit zieht mich jedes Mal auf`s Neue in seinen Bann. Groß, gewaltig und doch irgendwie simpel, schlicht, ohne Schnickschnack, einfach schön. Die warmen Farben der Steine, hell und freundlich, jeder Winkel voll von Geschichte und Geschichten- so mag ich es. Und während meine liebe Freundin meinem staunenden Tochterkind etwas über den Dom und seine Entstehungsgeschichte erzählte, dachte ich so für mich: wäre ich ein Gebäude, dann würde ich gerne so sein, wie dieser Dom. Schlicht, schnörkellos und trotzdem einladend, wärmend und freundlich. Nicht kühl modern, nicht munkelig dunkel und schon gar nicht überladen barock. Auch alles eindrucksvoll, ist ja klar, aber ich wäre lieber romanisch, dürfte ich es mir aussuchen. Und unser Leben wünschte ich mir in diesem Moment genauso. Romanisch schlicht.
Sehnsuchtsvoll denke ich immer wieder an dieses Gebäude, das so gar nichts von Chaos an sich hat. Aber seine Entstehungszeit, tja, die war echt turbulent. Alles braucht seine Zeit, alles hat seine Zeit.
Jetzt ist September. Simply September. Ich wünsche mir so sehr, dass es ein ganz romanischer September wird, schlicht und schön und simpel.
Und wenn du gerade mitten drin stecken solltest, im Chaos, und alles wirr und irre ist- halt aus. Es wird auch wieder heller werden und du bist nicht allein.
DANKE!!!
DANKE für diesen tollen Eintrag, der es mal wieder soooo auf den Punkt trifft!!!!
Ich kommentiere nicht so oft, aber jetzt mußte es einfach mal sein, weil ich deinen Blog im chaotischen Alltag immer als so wertvoll empfinde!!
Ganz liebe Grüße aus Leipzig
Vielen Dank für deine ermutigenden segensreichen Worte!!
Hallo Sandra
Da sitze ich nun- mit der neuen Family in der Hand und lese zum ersten Mal von dir und erwische deinem Sorgentext. MEIN Thema!! Die Tränen kullern und ich weiss in diesem Moment: ich bin nicht alleine mit meinem Sorgenkoffer! Es gibt tatsächlich noch andere Mamas, die genau so fühlen wie ich! Und irgendwie tut mir das in diesem Moment unsagbar gut! Danke dir! Auf deinem Blog könnte ich stundenlang lesen! Er ist wunderbar geschrieben, voller Humor, Ehrlichkeit und Vertrauen in Gott, der unseren irren Familienwahnsinn kennt, uns trotz mieser Launen und schmutzigen Wohnzimmerböden liebt und alles in seinen Händen hält.
Sei gesegnet!
Herzlich, Claudia
Vielen Dank, liebe Sandra.