Vom Versuchen, vom Scheitern,vom Schaffen

imageEs ist nun schon einige Monate her, dass ich an einem Freitagmittag meinen kleinen, fünfjährigen Sohn in das Auto packte und zum ersten Mal Richtung Schwimmkurs aufbrach. Ich kann Freitage nicht leiden. Da erledige ich vormittags den Wocheneinkauf und bin jedes Mal aufs Neue erschlagen von der Masse an Lebensmittel, die ich ranschaffen und verstauen muss. Vom Discounter zum Gemüseladen, vom Schreibwarenladen zur Drogerie und dann noch zum Supermarkt für den Rest. Zentnerschwere Taschen wollen ins Haus gehieft und der Inhalt weggeräumt werden. Meine Laune ist an Freitagen zur Mittagszeit günstigstenfalls mittelprächtig, in der Regel aber unterirdisch. An einem solchen Freitagmittag ging ich das Projekt Schwimmkurs an. Das bedeutete ein schnelles Mittagessen, damit die Zwillinge wenigstens kurz ruhen konnten und während ich mal eben schnell ein Pesto zusammenmixte, raspelte ich mir beim Parmesanhobeln gleich den halben Daumen mit ab. Das Blut strömte und ich fingerte entnervt ein Pflaster auf die Wunde. Dann suchte ich Schwimmsachen zusammen, karrte meine Tochter zum Turntraining und schaffte  den schwimmwilligen  Sohn, zwei unausgeruhte Kleinkinder und meine üble Laune zum Schwimmkurs.

Der Kurs fand im Keller einer  physiotherapeutischen Praxis statt  und die Umkleide war gleichzeitig Behandlungsraum. Keine feste Tür, nur ein Vorhang. Die Zwillinge büxten aus. Laut juchzend. Ich versuchte sie einzufangen und gleichzeitig dem Schwimmschüler beim Anziehen der Badehose behilflich zu sein. Ich bugsierte das Kind in Badehose in den Keller, unter jedem Arm ein strampelndes Zweijähriges geklemmt. Mein Anblick war wahrscheinlich bestenfalls lächerlich. Unten stellte ich fest, das man den Beckenbereich nur barfuß betreten darf. Die Zwillinge hatten nicht nur Schuhe, sondern auch Strumpfhosen an. Keine Chance für nackte Füße. Ich friemelte Socken von meinen Füßen, fing die überdrehten Kleinkinder in der Dusche wieder ein und hielt sie eine Schwimmstunde lang wie im Schraubstock fest, während ich im winzigen Schwimmbereich eingekeilt zwischen anderen Eltern auf einem  Holzbänkchen festklemmte. Der Schweiß rann über meinen Rücken. Mein Sohn konnte nicht schwimmen. Gar nicht. Er wusste nicht, was es mit dem Frosch und sonstigem Getier auf sich hatte und mein Herz zerriss vor Mitgefühl. Nach Ende der Einheit,  ging das Ganze wieder von vorne los. Während ich versuchte das tropfnasse Kind in seine Kleider zurückzustopfen, entwischten die beiden Minimonster. Immer und immer wieder. Das Pflaster löste sich von meinem Finger und das Blut lief. Ich biss die Zähne zusammen und irgendwie gelang es mir irgendwann die ganze Bande wieder in das Auto zu verfrachten. Mein Kopf sank aufs Lenkrad. So ging es gar nicht.

An allen weiteren Freitagen kam unsere wunderbare Babysitterin und der teuerste Schwimmkurs aller Zeiten konnte durchstarten. Ich zahlte nicht nur den Kurs sondern auch den Preis fĂĽr die Kinderbetreuung.

Und es dauerte. Und es dauerte. Freitag um Freitag.Es dauerte bis heute. Heute hat mein Sohn es geschafft. Sein Seepferdchen. Und ich platze vor Stolz. Dieser Junge ist unglaublich. Sollte ich ein Vorbild benennen und damit meine ich nicht Jesus, oder Mutter Theresa, dann wäre es mein nun knapp sechsjähriger Sohn. Ein solches Kämpferherz!  Das Kind, dass die ersten drei Jahre gar nicht sprach, dass motorisch bestimmt Baustellen aufweist und den mancher vorschnell falsch einschätzte, strahlt und mit stillem Eifer hält es durch bis zum Ziel. Nie gibt er auf, nie lässt er einen Zweifel, an seinem eisernen Willen. Mit stiller Beharrlichkeit arbeitet er sich zum Ziel vor und seine Laune sinkt dabei tatsächlich nie  in den Keller. Schreibenlernen? Keine Frage. Schwimmen? Wird schon! Sprechen? Aber ja! Ernsthaft erklärt mir mein Kind, dass nun mal nur Übung den Meister mache. Recht hat er, denke ich manchmal beschämt, die ich schon so manches vorschnell aufgegeben habe, nur weil es nicht gleich funktionierte.

Es braucht jemand, der an uns glaubt, der in uns investiert, der uns immer begleitet, egal wie mühselig es ist. Einen, der am Beckenrand unseres Lebens sitzt und die Daumen drückt. Ich glaube, dass das Gott ist. Aber die Arbeit kann uns keiner abnehmen. Schwimmen müssen wir alleine. Was immer wir erreichen wollen, wir müssen es wirklich wollen und dann durchhalten. Im günstigsten Falle mit einem Lächeln.

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