Vor einer Weile ging ich nachmittags zusammen mit meinen drei jĂĽngeren Kindern auf den nahe gelegenen Spielplatz. So lange hatten sie sie sich still gedulden mĂĽssen, während die GroĂźen ĂĽber ihren Hausaufgaben brĂĽteten und mĂĽtterliche UnterstĂĽtzung bei der Auseinandersetzung mit englischer Grammatik und Säulendiagrammen brauchten. Jetzt also schleunigst raus, die Sonne schien so schön (was fĂĽr eine Ăśberraschung in diesem Jahr…) und sie waren schon ganz zappelig vor Bewegungsdrang.
Mein fuĂźballverrĂĽckter Drittklässler hatte natĂĽrlich einen Ball mit dabei, der Spielplatz ist vor allem auch ein Boltzplatz. Kaum waren die 250 Meter Weg geschafft, trollten sich die beiden Kleinen ins angrenzende Miniaturwäldchen um ein paar Stöcke zu finden und mein Junge wählte ein Tor zum kicken. Wir waren nicht die einzigen, ein paar Kinder waren schon eifrig am spielen. FuĂźballspielen. Sie kannten meinen Sohn, er kannte sie. Nicht gut, neinnein, aber „man kannte sich“ eben. Die Kinder waren freundlich und riefen zum Mitspielen. Eine rief ihn sogar mit Namen. Den ersten Ruf ĂĽberhörte er geflissentlich. Den zweiten auch noch. Irgendwann mäanderte er zu mir rĂĽber, angespannt, wie ein Flitzebogen. Ich las in seinem Gesicht, wie in einem Buch. Er wollte mitspielen, so gerne, aber er traute sich nicht. Man kannte sich, ja klar, aber eben nicht richtig. Einfach hingehen? Den Ruf besser ignorieren? Alles total peinlich irgendwie. Wie soll man denn einfach mitspielen? FĂĽr den schĂĽchternen, zurĂĽckhaltenden Menschen können 25 Meter ein unendlich langer Weg voller Wenns und Abers sein.
Die Kinder spielten längst schon wieder, wie lange sollten sie auch warten? Und ich sagte zu ihm:“ Trau dich! Was soll passieren? Sie wollen doch, dass du mitspielst. Sie haben dich gerufen. Und es sind FuĂźballer, die wollen nur spielen, du musst gar nicht reden. Geh einfach hin und spiel mit“ Ich wiederholte meine Sätze, viermal, fĂĽnfmal, sein Kopf gesenkt, mit dem FuĂź Kreise in die Erde malend, stand er zaudernd neben mir. Irgendwann strafften sich die kleinen, schmalen Schultern und er begann diesen langen, langen Weg, Schritt fĂĽr Schritt, ganz langsam. Er war noch nicht ganz da, da kickte ihm jemand den Ball vor die FĂĽĂźe und das war`s dann. Ich saĂź auf dem Bänkchen und sah meinem Buben und dem ganzen wunderbaren Rest eine Stunde lang beim FuĂźballspielen zu. Und als die Stunde und das Spiel um waren, zogen wir zufrieden unseres Weges, ohne noch ein weiteres Wort darĂĽber zu verlieren.
Mein gar nicht mehr so kleiner Junge hatte all seinen Mut zusammengenommen, Beziehung gewagt und gewonnen. Mein Herz lief ĂĽber, weil ich mich so fĂĽr ihn freute, weil ich seinen Mut bestaunte und weil ich wusste, wieviel Ăśberwindung ihn diese Schritte gekostet hatten. Beziehung wagen, im Kleinen wie im GroĂźen ist immer ein Wagnis, birgt das Risiko von ZurĂĽckweisung, holt all unsere Selbstzweifel mit Schwung ans Tageslicht, legt ein StĂĽckchen unserer Seele bloĂź.
Vor wenigen Tagen bekam ich eine E-Mail. „Wir sind in der Nähe, am Sonntag. DĂĽrfen wir kurz mal vorbeischauen?“ Die mail kam von Veronika Smoor , deren geschriebene Worte mich schon so lange begleiten und die ich fĂĽr genau diese Worte so unglaublich schätze. Habe ich mich umgedreht und zu meinem Mann gesagt: “ Na die traut sich was!Was ist das denn fĂĽr eine Irre? Wie aufdringlich kann frau denn sein? Unfasslich, wieviel entgrenzte Freaks einen am heiligen Sonntag belästigen wollen!“? NatĂĽrlich nicht! Stattdessen habe ich mich umgedreht und gesagt: „Am Sonntag kommt Besuch und ich freue mich wie ein Schnitzel! Boah, ist die mutig!“ Denn ehrlich gesagt, ich hätte mich nicht getraut. Mir wären tausende Wenns und Abers eingefallen, meine Selbstzweifel hätten mich an die Wand gedrĂĽckt, meine Angst vor ZurĂĽckweisung, die Sorge mich mit diesem Ansinnen total lächerlich zu machen, hätten mich gehindert. Ich frage mich, wieviel Freundschaften und Beziehungen auf dieser Welt niemals zustande kommen, weil all diese Wenns und Abers ihnen vorher den Garaus machen.
Gott sei Dank, war Veronika mutig. Gott sei Dank hat sie Beziehung gewagt (und Gott sei Dank hat sie zwei wunderbare Töchter, die sich mit meinen Kindern gut verstanden haben) Wie schön, war dieser Sonntagnachmittag und wie bereichernd! Leider kann ich euch keine Fotos zeigen, von Kaffee und Kuchen, warmer Oktobersonne und unserem Plätzchen im Garten. Ich war zu sehr mit schwatzen und kennenlernen beschäftigt, mit einem echten Menschen im echten Leben und das ist wohl auch besser so (auĂźer diesem einen, auf die Schnelle, eigentlich schon im Gehen…)
Am Abend sagte der Gatte: „Die ist ja total nett. Und von ihrem Mut könnten wir uns durchaus ein Scheibchen abschneiden!“ Recht hat er, wie so oft. Mutig werden und Beziehung wagen, ein StĂĽckchen Seele bloĂźlegen und den Wenns und Abers hin und wieder in den Hintern treten. Aufeinander zugehen. Willkommen heiĂźen. Muss ja nicht immer gleich eine Seelenverwandtschaft entstehen. Nette Bekannte, um ein paar Bälle zu kicken sind auch viel wert. Be brave!
Und bevor ich es vergesse- da war doch noch etwas mit einer Verlosung….vielen, vielen Dank fĂĽr alle Kommentare. Und gewonnen hat…Trommmelwirbel….Michaela Ruckh
Herzlichen GlĂĽckwunsch, liebe Michaela, und viel SpaĂź mit „Fips“. Bitte melde dich kurz bei mir, vielleicht ĂĽber Facebook, Insta oder per Kommentar. Dann leite ich dich weiter.
Einfach schön und ermutigend! Schon krass, welche Ă„ngste in uns immer wieder stecken – ich kenne die zur GenĂĽge. Danke fĂĽrs Teilen und herzliche GrĂĽsse!
Danke für den schönen Text und vor allem für den wunderbaren Nachmittag mit dir und deiner Familie. Der Mut hat sich gelohnt!!!!