Von kleinen Mäusen und starken Worten

Die Herbstferien sind zu Ende und wir sind zurückgekehrt, in unseren normalen Alltag, der uns zuletzt so sehr herausgefordert hat. Die einen mit mehr, die anderen mit weniger Begeisterung und Enthusiasmus. Meine beiden Mäusekinder (sind sie tatsächlich, denn sie besuchen die „Mäusegruppe“!), also meine beiden Mäusekinder gehören eindeutig zum enthusiastischeren Teil. Kindergarten ist eine feine Sache und man bekommt keine Hausaufgaben auf. Dieser Tage kehrten sie zurück und hatten die alt bekannte Geschichte von der Maus „Frederick“ im Gepäck -ein eindeutigeres Zeichen dafür, dass wir uns auf die dunklere Jahreszeit zubewegen, gibt es wohl kaum. Außer Laternenbasteln natürlich.  Ganz begeistert erzählten sie uns von den kleinen Feldmäusen, von Frederick und seinen Geschichten, um schließlich unser zerlesenes Exemplar aus dem Bücherregal zu fischen. Manche Geschichten verlieren ihre Wirkung nicht, egal wie alt sie sind, egal, wie viele Kinderohren sie schon gehört haben, egal, wie oft sie schon gesprochen und vorgelesen wurden.

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Der Gatte runzelte die Stirn und bekam einen leicht angestrengten Ausdruck in die Augen. Und weil ich meinen Mann ganz gut kenne, wusste ich auch sofort warum. Manche Geschichten verlieren ihre Wirkung nicht…Der Gatte hat seine liebe Not mit Frederick, der lieber in der Sonne sitzt und Bilder und Eindrücke sammelt, als Vorräte. Er wittert den Aufruf zu Faulheit und Schmarotzertum und das kann er mit seiner Arbeitsmoral überhaupt nicht vereinbaren. Ganz abwegig ist der Gedanke ja auch nicht, ich hatte ihn selbst schon oft genug. Manches mal dachte ich schon: „Wäre ich Feldmaus, ich hätte dem faulen Säckel  längst in den Hintern getreten. Hätte er mal mit gesammelt, dann würde es vielleicht für alle reichen, ich pfeif auf Geschichten von Farben und Sonne…!“

Andererseits denke ich immer und immer wieder, wie dringend wir diese Fredericks brauchen, Wesen die hinhören und hinschauen, die die richtigen Worte finden, wenn Rat und Sprachlosigkeit um sich greifen. Worte des Trostes und der Zuversicht, lustige Worte, humorvolle und vielleicht auch einmal ein ernstes. Kluge Worte, die ein anderes Bild ins Herz zeichnen, wenn das Leben zu karg wird und Seelenhunger an dir nagt, die dich einhüllen, wie ein wärmendes Tuch.

Wie oft schon haben mich Worte durch dunkle, kalte Tage getragen. Persönlich Worte zur richtigen Zeit, geschriebene, erzählte. Bücher und Geschichten können Leben verändern, da bin ich mir ganz sicher. Ich bin ein Mensch, der so sehr Worte braucht, Worte und Geschichten, sonst welke ich wie Klatschmohn in der Vase. Wir sollten uns noch viel mehr unsere Geschichten erzählen, die ehrlichen, wahren, die großen und die ganz kleinen und dadurch die Wärme der Menschlichkeit zum Vorschein bringen. Ehrliche Worte, nicht glattpolierte Bilder. Neulich las ich von jemandem, der morgens sein Bett nicht macht, weil er sich so gerne am Abend in ein zerwühltes Bett legt. Ist das nicht wunderbar?  Da scheint etwas wahrhaft Menschliches durch, eine Macke, eine Schrulle, etwas Echtes und gleich fühlt man sich weniger verloren.

Am Samstag stolperte ich selbst bei einem Frauenfrühstück über die altbekannte Geschichte von Martha und Maria. Martha, die alles gibt, um es Jesus und seinen Freunden eine gute Gastgeberin zu sein und Maria, die still neben Jesus sitzt und anstatt zu arbeiten, lieber seine Worte in sich aufsaugt. Irgendwann platzt Martha der Kragen und genau dafür kassiert sie einen ordentlichen Rüffel. Ich habe meine liebe Not mit dieser biblischen Geschichte, denn ich fühle wirklich sehr mit Martha, die alles richtig machen will und das wird wohl auch immer so bleiben. Aber vielleicht ist es ein wenig, wie mit der Maus Frederick. Manchmal ist es wichtiger still zu werden, hinzuhören und hinzuschauen, das Herz mit guten Bildern und heilenden Worten zu füllen, anstatt weiter zu rennen und emsig zu sein. Um selber davon zehren, wenn der Winter zu lange wird, um anderen davon zu erzählen. Von der Sonne, die scheint, auch wenn wir sie gerade nicht sehen,.. Wir brauchen die Weizenkörner, die unseren Bauch füttern, aber wir brauchen auch Futter für unsere Herzen. Manchmal dürfen wir andere füttern, mit guten Worten oder einer guten Suppe. Manchmal dürfen wir uns füttern lassen. Mit einem guten, handfesten Essen, wenn wir vor lauter Denken das Praktische vergessen haben. Mit guten Worten, wenn wir vor lauter emsigen Rennen am Wesentlichen vorbeigerannt sind.

Die Herbstferien sind vorbei, und wir sind zurückgekehrt, in unseren normalen Alltag, die nächsten Wochen werden sehr herausfordernd. Aber unsere Vorratskammern sind gut gefüllt. Wenn wir abends um unseren Esstisch sitzen, dann füllen wir nicht nur unsere Bäuche, sondern vor allem unsere Herzen. Brot und Worte. Suppe und Geschichten. An unserem Tisch sitzen Marthas und Marias, Fredericks und emsige Mäuse, alle sollen Platz haben, weil wir alle brauchen, weil sie in jedem von uns stecken. Wenn die Mischung stimmt, dann kommen wir unbeschadet durch den Winter, dann schaffen wir auch die herausfordernden Zeiten, dann sind wir satt an Leib und Seele.

4 Kommentare zu „Von kleinen Mäusen und starken Worten“

  1. Liebe Sandra,
    Vielen Dank für deine tollen Blogeinträge, die zum Nachdenken (und Schmunzeln) anregen und gleichzeitig auch immer wieder eine tolle Ermutigung sind!

    Wenn wir gerade beim Thema Bücher sind, welche sind/ waren denn eure Lieblingsvorlesebücher? Meine Große wird bald 3 Jahre alt und ich bin auf der Suche nach schönen Bilderbüchern mit guter Message.

    Vielen Dank und alles Liebe,
    Doris

    1. Liebe Doris, danke für deinen netten Kommentar, ich freue mich doch immer so. Eigentlich wollte ich heute über Kinderbücher schreiben, denn du hast ja direkt mein Leib und Magenthema angefragt… und dir damit antworten. jetzt hat mein wirres Hirn mich ganz woanders hingetragen, aber versprochen: der Antwortblogpost kommt
      Liebe Grüße

  2. „Ich bin ein Mensch, der so sehr Worte braucht, Worte und Geschichten, sonst welke ich wie Klatschmohn in der Vase“. So gut und mir geht es genauso!

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