Letzte Woche ging der Gatte auf Dienstreise nach Bremen, der Zug sollte in aller unchristlichen Frühe abfahren. Und weil er weiß, dass durch sein frühes Aufstehen alle Geisslein um fünf Uhr wach gewesen wären (wir sind nun mal eine Herde, so nervig es auch manchmal ist), hat er die Nacht zuvor gleich im Büro geschlafen. Sehr praktisch, da konnte er gleich noch zum Elternabend, die Schule liegt bei ihm ums Eck, und ich musste nicht extra in die Stadt fahren. Entspannter Feierabend und Rast vor der Reise sieht anders aus. Am Samstagabend kehrte er mit einiger Verspätung und ziemlich gebügelt nach Hause zurück, wo er schon sehnsüchtigst erwartet wurde. Um Tischkicker zu spielen und PS4, die letzte Mathearbeit zu bewundern und etwa 34 neue Gemälde, sich die ungeheuerlichen Erlebnisse der letzten drei Tage anzuhören und um endlich mit seiner Frau spazieren zu gehen, auch wenn es mittlerweile dunkel war.
Am Sonntagvormittag reiste er dann wieder ab. Mit dem aufgeregtesten kleinen Jungen im Gepäck, denn du dir nur vorstellen kannst. So aufgeregt war der kleine Mann, dass er sein eh schon spärliche Reden endgĂĽltig eingestellt hatte. Der Gatte fuhr bis MĂĽnchen in die Allianzarena, um seinem Jungen einen Lebenstraum, seinen aller größten Wunsch zu erfĂĽllen, obwohl er selber absolut kein FuĂźballfan ist und auch noch nie war. Das Timing hätte besser sein können, aber Karten werden gelost, fertig aus. Gestern kamen sie wieder zurĂĽck. Ein seliges Kind, Grinsebacke von einem Ohr zum anderen, das immer noch nicht so viel erzählen kann, weil es so angefĂĽllt mit EindrĂĽcken ist, aber dafĂĽr ununterbrochen vom „Stern des SĂĽdens“ singt. Ein mĂĽder Papa, der trotz aller Strapazen, auch ziemlich selig aussah. Und am Abend hörte man aus dem Kinderzimmer ein „Danke!“, das aus tiefster Seele geflĂĽstert wurde, von einer heiĂźer gesungenen, mĂĽden, glĂĽcklichen Kinderstimme.
Als Eltern, als Kinder, als Geschwister, als Mann, als Frau tun wir so viele Dinge, Tag ein Tag aus, füreinander, miteinander, weil sie getan werden müssen, weil nur so Familie und jedes Zusammenleben funktioniert. Essen kochen und Wäsche waschen, Müll raustragen und Zimmer aufräumen, Mathe erklären, einkaufen, den Tisch decken, Geld verdienen und Socken suchen. Tausend Alltäglichkeiten und Notwendigkeiten, die zu unserem Leben gehören, wie das Ein und das Ausatmen, getan jeden Tag, weil sie getan werden müssen. Wir dienen einander, weil es zwingend erforderlich ist.

Und dann….dann gibt es Dinge, die wir fĂĽreinander tun, ohne ein Muss, ohne zwingende Notwendigkeit, ohne Gegenleistung, einfach nur aus Liebe. Eine Liebe, die dem anderen Licht sein will, um seinetwillen, um sein Leben ein wenig leichter, heller, freundlicher zu machen. Es ist ein Dienst aus Liebe, nicht aus Pflicht oder Berechnung, ein Geben ohne Nehmen, es kostet mich und ich stelle dafĂĽr keine Rechnung, weil du es mir wert bist, weil du mir anvertraut wurdest, weil dir mein Herz gehört. Solch einen Dienst kannst du nicht kaufen, eintĂĽten oder im Tresor aufbewahren. Wenn wir einander aus Liebe dienen, dann verschenken wir unserer Hände und unseres Geistes Arbeit, unsere Zeit, unsere MĂĽhe und unser Herz. Herzensgeschenke verändern Herzen. Sie kosten uns unser Ego und unsere Bequemlichkeit, wir schrumpfen gesund und wachsen dabei ĂĽber uns hinaus.

„Malst du mir eine Astrid, aber eine richtig schöne, hier gleich neben den Drachen?“, fragt eine kleine Schwester, und die groĂźe Schwester seufzt, legt das Tablet weg und malt. Wenn ich mich hier umsehe, dann sehe ich sie, tausend kleine Liebesdienste. Vorlesen und Lieblingsessen, zuhören und trösten, Tischkicker, obwohl ich echt immer verliere, ein Bild auf dem Kopfkissen, ein Bogen zurechtgeschnitzt vom Bruder fĂĽr den Bruder, ein Fahrrad, bereit gestellt fĂĽr den, der im Morgengrauen noch ein bisschen trödelig ist, Kekse, geklaut aus meinem KĂĽchenschrank, nicht fĂĽr sich alleine, sondern gleich fĂĽr alle Geschwister, ein GroĂźeinkauf, verstaut im Keller, „weil der Papa nicht da ist und die Mama RĂĽcken hat“, den eigenen Kopf zum Dauerzopfflechten zur VerfĂĽgung stellen, eine Nacht im BĂĽro, eine Fahrt nach MĂĽnchen, obwohl man eigentlich nur noch schlafen möchte.
Immer, wenn wir einander aus Liebe dienen, wird ein Stückchen Himmel auf Erden sichtbar, wird unsere kleine Welt nach oben hin geöffnet, will es wieder Frühling werden. Hast du mal hinausgesehen? Siehst du auch schon die Osterglocken und die Forsythien blühen? Hörst du das aufgeregte Zwitschern in den Büschen, Bäumen und Hecken, morgens schon ganz früh? Es will tatsächlich Frühling werden. Ich glaube, dass das ein Liebesdienst Gottes für uns Menschen ist, jedes Jahr aufs Neue. Damit wir den größten aller Liebesdienste nicht vergessen, den, bei dem uns das Leben geschenkt wurde, für immer und ganz unverdient.
Das mĂĽndliche Abitur an der Schule beschert mir Schulkinder am Vormittag. Also gehe ich jetzt und sehe mir einen Zaubertrick an. Es gehört wohl Feuer dazu und ich fĂĽrchte ein wenig um unser Haus. Vielleicht nehme ich besser ein Eimerchen Wasser mit, oder zwei…


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