Was ich dir wünsche

An einem dieser heißen, trockenen Ferientage des vergangenen Sommer, dieser Sommer, der es etwas übertrieb mit seiner Hitze, seiner Intensität, seiner nicht enden wollenden Dauer, an einem dieser Tage also, bekam eines unserer Kinder Übernachtungsbesuch. Das Zelt stand schon seit Wochen als Ferienvergnügung im Garten und es fanden sich immer neue Geschwister und Freundeskonstellationen, die die Nacht im Garten verbrachten. An jenem Sommertag diese zwei Kinder, beste Seelenfreunde, Freunde, wie man es sich nur wünschen kann, in ihrer Verbundenheit und Treue. Und alles war genauso, wie es sein sollte. Mit Planschen im Pool und endlosem Spielen, mit Grillen und Lagerfeuer und langem Gequatsche beim Schein der Taschenlampe. Irgendwann wünschten der Gatte und ich ein letztes Mal „Gute Nacht“ und gingen Schlafen.

Eine kurzes Weilchen später erschrak ich mich ganz fürchterlich, als eine kleine, zittrige Gestalt vor meinem Bett auftauchte. Ich begleitet sie nach oben, zurück ins Zelt, wo der beste Seelenfreund friedlich eingeschlafen war und selig schlummerte. Aus der lauen Sommernacht erfüllt mit fröhlichem Gequatsche war für meinen Kind ein gruseliges Dunkel geworden, überall raschelte es, von Ferne klirrten Gläser durch die Nacht und das Blinken eines Flugzeuges funkelte unheimlich am Nachthimmel. Das Übernachtungskind schlief, doch dieses Kind wurde immer wacher, dabei ging die Uhr schon auf Mitternacht zu. Ich beruhigt es, ließ im Wohnzimmer das Licht brennen, die Tür zum Garten stand eh schon auf. Erleichtert kroch ich zurück in mein Bett, gute Nacht. Zehn Minuten später stand die kleine Gestalt wieder vor meinem Bett. Dieses mal ging ich mit nach oben, nahm Kissen und Decke mit und bot an, auf dem Sofa zu übernachten, keine zehn Meter vom Zelt entfernt. Einverstanden. Ich brachte das Kind ins Zelt und bezog mein Sofalager. Sinnlos. Es ging nicht. Der eine schlief, aber er wach. Zu unwägbar diese Nacht, der Schrecken zu groß, das Gruseln gewaltig, die Geräuschkulisse immer bedrohlicher.

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Was tun? Den tief schlafenden Übernachtungsgast alleine im Zelt liegen lassen? Auf gar keinen Fall. Und so nahm ich mein Kissen und kroch zu den beiden Kindern ins stickig heiße Zelt, nahm das zitternde Bündel Mensch in meine Arme und wartete darauf, dass auch er Schlaf finden würde. Du musst wissen, sie sagen, dass es ein Vier-Mann- Zelt sei, aber in Wirklichkeit…Mir brach umgehend der Schweiß aus, so unfassbar heiß war dieser winzige Raum mitten im Garten, den Reißverschluss durfte ich nicht öffnen, wegen all der lauernden Gefahren, ein Zeltboden ohne Matratze löste in jedem meiner Rückenwirbel stummes Protestgeheule aus, gequetscht an die Zeltwand aus Polyester konzentrierte ich mich auf ausreichend Sauerstoffzufuhr für mein armes Hirn und sang mein verängstigtes Kind in den Schlaf. Ich hörte die Geräusche, die es hörte, das Klirren der Gläser und das fremde Gelächter, ich sah die Lichter blinken und den Schatten der Zweige. Und ich verstand die Angst. An Schlaf war gar nicht zu denken und so lag ich Stunde um Stunde, bis die Turmuhr von Ferne sechs schlug.

Mein Kind schlug kurz die Augen im nun wieder hellen Zelt auf , während der Freund noch immer schlief, und ich lächelte ihn an. „Bis bald, mein Schatz!“, flüsterte ich ihm zu, packte leise mein Kissen und schlich zurück ins Haus. Und nie wieder verloren wir ein Wort über diese Begebenheit.

In diesen Tagen kommt mir die kleine Begebenheit immer wieder in den Sinn, immer dann, wenn ich darüber nachdenke, was ich meinem Erstkommunionkind zu seinem Festtag am Sonntag wünschen soll, worum ich bitten soll, mit meinem ganzen Mamaherzen, für ihn und für alles, was vor ihm liegt. Und dann denke ich, dass es genau das ist, was ich ihm mehr als alles andere wünsche. Er möge Gott als den erleben und erfahren, der ihn niemals alleine lassen wird. Wenn sich das Leben verdunkelt und die Luft knapp wird, wenn die Angst ihre kalten Krallen ausfährt und so vieles unwägbar scheint, wenn alles zur Bedrohung wird und sich Ratlosigkeit breit macht, dass er genau dann bei ihm sein wird und ihm zuflüstert: Du bist niemals allein, du bist mein geliebtes Kind, ich bin da, egal, wie eng sich gerade alles anfühlt, egal, wie groß oder wie klein deine Not ist, egal, was dir gerade die Luft zum Atmen nimmt. Ich bin da, als dein Vater, als dein Freund, als der, der Wache hält und dich behütet. Ich setzte mich zu dir und halte dich fest, ich harre aus bei dir und deiner Not, bis das Dunkel der Nacht verschwindet und der helle Tag anbricht. Du kannst beruhigt schlafen.

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Liebes Kind, das wünsche ich dir. Sei behütet und getröstet an diesem besonderen Tag deines Lebens, ja, an  jedem einzelnen Tag deines Lebens und immer dann, wenn die Nacht hereinbricht. Und spüre es.

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