Und? Wie war’s?

Ich halte ja jede Wette, dass dies die zur Zeit am häufigsten gestellte Frage Deutschlands ist. Einmal quer durch die Republik, an der Aldi-Kasse und auf Ikea -Parkplätzen, vor den Kühlregalen mit der Eisauswahl, im Großraumbüro und im Freibad, überall da, wo Menschen halt so aufeinander treffen, vor und nach ihrem Urlaub. Gleich gefolgt von: „Wo ward ihr nochmal?“ Und „Ward ihr schon oder werdet ihr noch?“ Also, wir waren schon, sind wieder da, ja, leider, und wir waren in Cornwall. Du willst wissen, wie es war? Also wenn du mich schon so fragst…

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Es war wunderbar. Punktum. Auch wenn wir gar nicht in Cornwall waren, sondern in Devon, wie sich herausstellte. Dort ist es aber auch ganz wunderbar. Und nur wenige Meilen vom nördlichsten Zipfel Cornwalls entfernt.

Als wir bei der Ankunft (Schule, Arbeitsalltag und der anstrengende Kuddelmuddel der letzten Monate lagen noch keine 24 Stunden hinter uns) staubig, verschwitzt und müde aus unserem Bus krochen, war mein erster Gedanke: „Das ist gelogen!“ Es war, als wären wir in einer Filmkulisse angekommen, eine Kulisse unendlicher Weite, in allen Schattierungen von grün mit weißen Tupfen von Schafen und Kühen. Rosamunde Pilcher schien Shawn das Schaf neu zu verfilmen, posthum und deshalb mit paradiesischen Anklängen. Ich stieg aus und war verliebt. Passiert mir nicht alle Tage, ich verliebe mich sonst nicht einfach so mir nichts dir nichts, Hals über Kopf.

Wir wurden herzlich willkommen geheißen, sogar ein Strauß frischer Wiesenblumen und Frühstück für den Sontag wartete auf uns. Marc und Lorraine haben viel Liebe in den Umbau ihrer alten Scheune gesteckt, mit alten Dielenböden, viel Platz und alten Stalltüren. Unser Zuhause für zwei Wochen, ich war hingerissen. Die Kinder? Keine Ahnung, die verschwanden schneller, als ich muh sagen konnte auf irgendeiner der endlosen Wiesen. „Let them explore, they are safe…!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der freundliche Vermieter und wir waren sofort gewillt, ihm zu glauben.

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Mit jedem Tag den wir blieben, passte sich mein Herz der Landschaft an, wurde weiter und weiter, ruhiger und gelassener. Wir bestaunten die fast schon unwirklich schöne Natur, besuchten täglich Kühe und Schafe, entdeckten die unterschiedlichen Strände, wanderten den Küstenpfad entlang, futterten uns durch alle örtlichen Spezialitäten (die sind jetzt natürlich nicht sooo wahnsinnig gesund, aber hei, was soll’s?) und entdeckten täglich Neues.

Dass Lorraine mitten im Nirgendwo, gleich im Stall nebenan, die herrlichsten Brautkleider näht. Dass es eine Weide für schwangere Kühe gibt. Dass Zehnjährige hier Quad fahren und schmale Fußwege als ausgebaute Landstraßen gelten. Dass drei Meilen nicht ungefähr drei Kilometer sind. Du gefälligst selbst dafür Sorge tragen musst, nicht die Klippen hinunter in den sicheren Tod zu stürzen. Clotted Cream Eis.

Uralte Dörfchen. Dass Höflichkeit und Freundlichkeit Werte sind, die das Leben deutlich vereinfachen. Die Pracht englischer Gärten und dass Fuchsien echte Büsche seien können. Eine alte Abbey und alle dazugehörigen Ländereien- es war nicht Downton, aber ziemlich nahe dran, sogar den Lord konnten, wir entdecken, hinter dem Jugendstilgewächshaus gleich links, mit einem Buch und not amused. Wir feierten meinen Geburtstag und ich hätte mir keinen Schöneren vorstellen können.

Als wir heimfuhren nahmen wir einen Kofferraum voller Chips, Ale, clotted cream und  Herzen voller Sehnsucht mit nach Hause. Und Kisten voller Dankbarkeit. Ein nun Neunjähriger flüsterte tränenschwer in die letzte Nacht: „Das ist mein Ort!“ und ich war geneigt, ihm zuzustimmen.

Und falls du dich nun fragst, ob es denn wirklich sein kann, dass es bei einem Urlaub mit sieben Personen so wunderbar zugeht, dann sei ganz unbesorgt. An Tag zwei stürzte mein kleines Mädchen beim Klettern auf den Felsen so unglücklich, dass sie nicht nur umgehend ein Blutmassaker anrichtete, sondern auch ihre Schneidezähne eingedrückt hatte. Wir gingen auf die Suche nach Eiswürfeln und Flüssignahrung.

Zuhause nutze ich aus anglophilen Gründen schon seit einigen Jahren einen Teekessel, den ich täglich mehrfach auf den Herd setzte. Es dauerte keine drei Tage, bis ich den elektrischen Teekessel des Ferienhauses auf  die Herdplatte setzte. Geschmolzenes schwarzes Plastik, überall. Ja, überall. „Ich sei nicht die erste, der das passiere,“ tröstete mich der liebe Marc. Vielleicht wollte er aber auch nur höflich sein. Die Nutzung des Backofens und des Toasters löste täglich den Feuermelder aus. Mehrfach.

P1110746Beim Parken am Strand empfiehlt es sich immer und grundsätzlich die Handbremse anzuziehen. Es sei denn natürlich, du willst unbedingt sehen, wie eine Horde laut brüllender und wild gestikulierender Briten in Badekleidung versucht einen davonrollenden Bus aufzuhalten. Es hat durchaus amüsante Aspekte. Kühe können beißen. Beim Fußballspielen kann man sich den Fuß in einem Hasenloch verknacksen. Um die letzte Chipspackung mit Krabbengeschmack wird gestritten, egal an welchem Ort, genau wie um den besten Platz am Tisch. Und es gibt nie ein Klo, wenn man es wirklich dringend braucht.

Also ja. Es kann so wunderbar sein! Denn dies alles zeigt nur, dass wir mit uns im Urlaub waren. Und wir sind eben, wie wir sind. Auch im Urlaub. Unfallfrei, ohne Chaos und in gänzlicher Harmonie wäre irgendwie seltsam gewesen. Eine Erwartung, die ich im Übrigen schon vor vielen Jahren als unrealistisch und hochgradig frustrierend enttarnt und ersatzlos gestrichen habe. Sehr befreiend.

So. Jetzt weißt du, wie es war. Und du? Wie war‘ s? Seid ihr schon, oder werdet ihr noch…erzähl mal!

 

 

3 Kommentare zu „Und? Wie war’s?“

  1. Du Liebe! Ich sass in einem von Abendrot durchtränkten Zimmer im Lake District, als ich voller Freude deinen Blogpost las und die Bilder sah. Genauso geht‘s uns auch in England (und auch in Schottland) ??? Es freut mich sooo, dass ihr auch den Zauber dieser Insel erlebt und gesehen habt! Hach! Von Herzen ein gutes Einleben zurück in Deutschland und im Nachhinein: Happy happy Birthday!!!

  2. Oh ja, diese Frage… jeden Tag seit Wochen. „Wohin reist ihr?“ und nun „wie waren die Ferien?“. Unsere ewig gleiche Antwort im Voraus: Keine Ahnung. Vielleicht einen Tag Campieren am Neuenburgersee? Ansonsten Balkonien. Nun stecken wir gerade mittendrin in unseren zwei Wochen Urlaub. Es ist gemütlich. Wir unternehmen kaum was. Draussen ist es uns viel zu heiss. Unser Leben beginnt abends ab 19 Uhr. Morgens schlafen wir aus. Tagsüber sind wir drinnen. Arbeiten Liegengebliebenes im Haushalt auf. Spielen. Geniessen es, einfach dahin zu plätschern. Zweckfreie Zeit. Ich lerne für eine Prüfung. Zwischendurch ein Bad im Summer-Pool. Abends geht’s draussen los. Da geniessen wir das wunderbare Bergpanorama. Die Natur. Etwas vom Grill. Ausgelassenes Planschen bis weit nach 22 Uhr. Alle sind zufrieden mit diesem dezimierten Programm. Vielleicht ist es nächste Woche kühler und wir planen den einen oder andern Ausflug. An Möglichkeiten fehlt es nicht. Wohnen wir doch da, wo andere Urlaub machen…
    Dir gutes Landen im Alltag zu Hause und fröhliches Schwelgen in den Erinnerungen…!
    Sula

  3. Ach so schön. Da will ich auch mal hin. Ich schicke meinem Mann jetzt diesen Link schicken . Wir haben den Urlaub noch vor uns und fahren am Samstag and Meer in Schleswig Holstein.

    Liebe Grüße
    Die Großfamilienmama

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