Das neue Schuljahr ist noch keine 72 Stunden alt und schon weiß ich schlagartig wieder, warum ich die Ferien in diesem Jahr so sehnsüchtig herbeigesehnt hatte. Ein Kind hat es wegen hohen Fiebers gar nicht erst bis zur Schule geschafft, ein zweites zog gestern nach und musste aus der Schule abgeholt werden (was irgendwie immer furchtbar kompliziert ist, denn man muss eben erst in das Verkehrschaos der Stadt fahren und hat natürlich beim Anruf der Schule gerade das Handy aus, nur für eine Stunde, aber…), mittlerweile hat sich die Anzahl der Fiebernden auf drei erhöht, alle sind etwas müde und wirken eher verkatert, als hochmotiviert und voller Tatendrang. Der Stundenplan des Kranken erreichte uns per whats app und mir wurde direkt ein wenig schlecht. Wer denkt sich denn so etwas aus (jaja, ich weiß, alle geben ihr Bestes, aber vier Stunden Latein und Griechisch hintereinander und zwar gleich an zwei Tagen der Woche ist schon recht sportlich für halbwüchsige Gehirne)? Also Katertage zu Jahresanfang, holprig und stolprig, der Karren läuft noch nicht rund, eigentlich wie beim echten Jahresanfang. Der kommt in der Regel auch erst nach der ersten Januarwoche richtig in Schwung, wenn alle Plätzchen und Raclettekäsereste verdaut sind.
Als ich vor sechs Wochen sehr müde und sehr sehnsuchtsvoll auf die Ferien wartete, da wartete ich auf ganz viel Ruhe, Pause, Stille. Auf der Ferienliste standen ein paar der üblichen Verdächtigen, Vorlesen, Planschen, Eis-Essen, noch mehr Eis-Essen, Lesen, Picknicken und Eis- Essen. Mehr eigentlich nicht. Die richtigen Maßnahmen also, um nach dem turbulenten ersten Halbjahr wieder ein wenig runter zu kühlen, Ordnung in wirre Gedanken zu bringen, die Reset-Taste zu drücken.
Bis hierher haben Ferien so immer sehr gut funktioniert. Endlose Sommertage, die irgendwie ineinander flossen, sonnendurchtränkt und träge, sehr unaufgeregt und simpel, alle waren zufrieden. Solche Tage gab es auch dieses Jahr. Essen, trinken, spielen, ruhen. Und es gab viele andere.
Ich fuhr ins Schwimmbad und hatte, dank Kleinbus, sieben Kinder im Gepäck. Den Geburtstag des nun Viertklässlers verbrachten wir im Kletterwald und ich bestaunte meine mutige Familie in schwindelerregenden Höhen (ich leide unter Höhenangst, ganz ehrlich, aber den Kleinen konnte ich zumindest Hilfestellung geben).
Wir hatten das Haus voller Gäste und durften selber Gäste sein, sogar in Würzburg, wo uns Antschana mit ihrer Familie so herzlich willkommen hieß, wie mutig, denn sie kannten uns doch gar nicht. Wir bestaunten die Würzburger Residenz und die Würzburger Gastfreundschaft gleichermaßen.
Ich fuhr mit den Kindern in meine alte Heimat und hatte drei wirklich unterhaltsame Stunden mit meinem großen Jungen und Spiderman im Kino. Wir picknickten am Rheinstrand und ich durfte mit meinem Mädchen und Michel Patrick Kelly ein wirklich tolles Konzert im Schwetzinger Schlosspark erleben. Zu guter Letzt schickten wir unsere beiden Großen auf ihre erste Ferienfreizeit und hatten viel Zeit für die verbleibenden drei und endlich auch zum Vorlesen. Erstaunlicherweise hat mir all das gutgetan. Neue Eindrücke, neue Begegnungen, neue Erlebnisse. Manche haben unseren Mut gefordert, wir mussten uns ein wenig über den eigenen Tellerrand rausdehnen, aber es hat sich gelohnt. Manchmal ist nicht Nichtstun die richtige Antwort, sondern einfach etwas Anderes zu tun. Die Tanks sind voll und das fühlt sich gut an. Ich habe die Zeit mit meinen Kindern genossen, Zeit, bei der man nicht auf die Uhr schauen musste, Zeit, die ganz besonders war, Zeit für Gespräche und gemeinsame Aktivitäten und Exklusivzeiten. Danke! Es hat auch etwas für sich, wenn Kinder größer werden und unternehmslustig und wahrscheinlich muss man dieses Zeitfenster nutzen, bevor es sich schließt und ich ihnen für drei bis fünf Jahren zu peinlich für alles werde.
Das neue Schuljahr ist noch keine 72 Stunden alt. Während ich den Staub aus meinem kleinen, verwaisten Blogeckchen puste und Halswehtee gegen Katertage koche, überlege ich, wie ich das knarzend in Gang kommende Alltagskarusell aufhalten, wenn nicht stoppen, dann doch verlangsamen könnte, bevor es schwindelerregend schnell zu kreisen beginnt. Ich trauere ein wenig um die Zeit füreinander und miteinander.
Als ich inmitten von fünftausend anderen Menschen stand, mein Mädchen fest im Arm, Regen von oben und Musik von allen Seiten, gab es einen sehr berührenden Moment. Michel Patrick Kelly erzählte die Geschichte seiner großen Glocke, die er aus altem Kriegsschrott gießen ließ. Eine Glocke für den Frieden. Und er bat um eine Minute des Schweigens. Eine Minute für den Frieden. Erstaunlicherweise klappte es. Und ich staunte nicht nur über fünftausend schweigende Konzertbesucher, sondern auch darüber, wieviel Friedensbitten in eine Minute passen, aus meiner tiefsten Seele kommend. Um Frieden des Herzens und Frieden in der Familie, Frieden den Verfolgten, denen die Kummer haben und denen, die vor Angst erstarren, den einsamen Seelen und den Ausgegrenzten. Es hörte gar nicht auf zu sprudeln, obwohl es doch nur eine Minute war.
Egal, wie schnell das Alltagskarussell sich auch dreht- eine Minute hast du immer. Eine Minute zum Atmen, lang und tief, damit der Nacken sich entspannt und die Nerven nicht so flattern. Eine Minute vor der Tür, frische Luft um deine Nase und in deinem Gehirn. Eine Minute, um eine Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen, eine Kinderwange zu streicheln, auf eine Bettkante zu plumpsen und hinzuhören. Es passen wirklich viele Küsse in eine einzige Minute und ein ernst gemeintes „Ich liebe dich“. Eine Minute um einen guten Satz zu lesen, einen Tee aufzubrühen, ein Gebet zu sprechen. Eine Minute für freundliche Worte. Dieser Gedanke ist sehr tröstlich. Denn manchmal ist eine Minute genug. Wenn zwischendurch das Chaos regiert. Wenn es holpert und stolpert. Es müssen nicht immer ganze Stunden und Tage sein. Eine Minute ist mehr als du denkst. Sie reicht nicht immer, aber manchmal eben schon. Und wo eine Minute ist, da ist meist auch noch eine zweite.
Ich tauche ein in den rumpeligen Alltag und weiß: die gemeinsamen Stunden nimmt uns keiner, sie sind eingewoben in unsere Herzen. Eine Minute finden wir immer und auch die kann voll von Gutem sein. Bis zum nächsten Boxenstopp.
Oh und als kleines Dankeschön für die liebe Antschana und für dich, falls du noch etwas Leckeres, Unkompliziertes brauchst, egal ob Alltag oder Ferien, dauert auch nur eine Minute:
Rheinhessischer Spundekäs
400g Frischkäse
1Becher Schmand
1/2 Becher Schlgsahne
1 Esslöffel süße Paprika
1 Teelöffel Paprika rosenscharf
1 Knoblauchzehe gehackt
Salz und Pfeffer
alles gut mixen und mit Salzbrezzelchen oder Laugenbrezeln verspeisen. Im Schraubglas ideal fürs Picknick. Oder einfach auf den Tisch stellen. Vorsicht Suchtgefahr. Und es gibt natürlich unzählige rheinhessische Varianten, also das ist Unsere (in Würzburg schlecken sie sich jetzt noch die Finger, glaube ich, hihi…)
Ich lese dich immer so gerne. So herrlich ehrlich und erfrischend. So geht es mir mit den Ferien und um die Ferien auch immer. Heute fängt die Schule für die Große wieder an, morgen hat sie nochmal frei. Dann startet sie in Klasse 10. Die Waldorfkinder haben noch eine Woche und ich bin so wehmütig. Wo ist sie denn hin, diese schöne unbeschwerte Zeit ? Und gleichzeitig so angefüllt mit diesen tollen Erlebnissen und Momenten. Ja, eine Mutter hast du immer.
Was für ein wunderbarer, warmherziger Bericht!
Bei uns hat die Schule auch schon angefangen und wir rücken uns noch in dem neuen System zurecht…neue Schule, neue Lehrer, andere Schulzeiten, viel mehr Schulzeiten beim Sohn (ich sehe ihn kaum noch *heul*) und somit fühle ich dir so nach…geniesse ich die Ferienzeiten auch immer sehr!
Das Rezept klingt klasse, ich mag solche einfachen Rezepte, die letztlich aber so gut sind!
Darf ich mal nach dem Titel vom Bastelbuch fragen? Ist doch eines, oder? Ist das gut?
Ich wünsche dir jetzt viel Power, gute Gesundheit euch allen und schicke liebe Grüsse aus den Bergen! 😉
Liebe Maike, es ist tatsächlich ein Bastelbuch, das meine Tochter zum Geburtstag von einer Schulfreundin bekommen hat. Es heißt „Mach was draus“ und bastelt aus altem Kram echt schöne Sachen. Ich mochte auch die große Hüte aus Zeitungspapier. Es gibt wohl mehrere Bände und wir haben den dritten Teil. Liebe Grüße
Super, vielen Dank!
Das scheint genau richtig für meine Tochter zu sein. Sie sammelt alles mögliche, weil man ja noch was damit basteln könnte…daher „Daumen hoch“ ! 😉
Liebe Grüsse, Maike