Morsches Holz und feste Seile

Dieser Tage saß ich mit dem Gatten draußen auf unserem Bänkchen, schon ein wenig abendmüde und leergeredet nach langen Stunden der Kinderkrankenpflege meinerseits und Sitzungs- und Büroarbeit seinerseits. Wir saßen und ließen uns die Abendsonne auf unsere Gesichter scheinen, diese Spätsommersonne, die bereits eine Ahnung von Herbst mit sich trägt, tröstende Wärme, nicht länger hitzig überdreht, und goldenes Licht.

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Plötzlich macht es ordentlich“ krawumms“. Mitten in den schönen Abendfrieden hinein: „krawumms“. Und vom geliebten Bänkchen fehlte plötzlich die Hälfte. Mein erster Gedanke war: „Gott sei Dank war es nicht mein Hintern!“ Man stelle sich diese Schmach vor! Und all die nagenden Selbstzweifel! Nicht, dass mein Hintern nicht durchaus in der Lage wäre, das ein oder andere Bänkchen zum Einsturz zu bringen, aber es lebt sich doch sehr viel besser ohne  Erklärungen wie: „Stell dir nur vor, nach diesem Sommer kneifen nicht nur die Jeans, ich bringe sogar schon die Möbel zum Einkrachen, jetzt muss aber wirklich etwas geschehen.“ Der Gatte muss sich solcherlei Gedanken nicht machen, ist er doch immer gleichbleibend groĂź und gleichbleibend schlank. AuĂźerdem hat er den Vorfall an Leib und Leben unbeschadet ĂĽberstanden, nur fall du dir Sorgen machen solltest. Das Bänkchen nicht.

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Das Bänkchen war ein Geschenk zu unserer Hochzeit, eine schlichte Holzbank mit einem goldenen Messingschild an der Lehne: „ubi caritas et amor ibi deo est“  Unser Trauspruch, der zum Sinnbild unserer Ehe wurde. Ich liebe es von Herzen, auch wenn es mittlerweile in die Jahre gekommen ist, das Wetter hat ihm zugesetzt, jede Menge Patina hat sich draufgesetzt, nicht unbedingt länger als schön zu bezeichnen, aber doch voller Charakter. Es ist, so wie wir sind. Es ist mein Ruheplatz, mein RĂĽckzugsort, sobald der erste kĂĽhle FrĂĽhlingstag es erlaubt, findest du mich dort, mit dem Kaffeebecher in der Hand und in dicke Jacken gehĂĽllt. Mein Strickzeug liegt da und drei bis fĂĽnf BĂĽcher, ein paar Zeitschriften und hin und wieder ein Lateinbuch. Wenn der Herbst ĂĽbers Land kommt, dann ziehe ich erst noch eine Decke zur Hilfe, nur um noch ein wenig länger verweilen zu dĂĽrfen. Mittagspausen und Abendstunden, Ruhezeiten und Herzensrederunden, alles auf unserem Bänkchen. Haus, und Gärtchen, die Wand aus Rosen und die Kinder im Blick, die ihrerseits das Bänkchen umkreisen, sich kraulen lassen, Mutterworte suchen. Solange du mich da triffst, ist noch nicht Winter.

Weil ich all dies und noch tausenderlei Dinge mehr mit unserer Hochzeitsbank verbinde, weil sie mein Ankerplatz ist und damit Sinnbild unserer Ehe, war der zweite Gedanke, der mir ins Hirn schoss:“ Wenn das mal nur kein böses Zeichen ist!“ Und weil ich leider keine gut funktionierende Filteranlage zwischen Hirn und Zunge habe, sprach ich diesen unĂĽberlegten Geistesblitz auch direkt aus. Der Gatte, der sich mittlerweile aus seiner misslichen Lage wieder befreit hatte, wies entschieden darauf hin, dass eine kostengĂĽnstige Baumarktbank, so sehr man auch an ihr hängen mag, wohl nicht gleichzusetzten sei mit dem Zustand unserer Ehe, auch wenn beide gleichen Alters seien. Die Bank ist morsch, sonst gar nichts. Man könne von so einer Bank, im Unterschied zu unserer Ehe, keine lebenslange Garantie erwarten, allerdings wäre es an der Zeit darĂĽber nachdenken, im FrĂĽhjahr eine neue Bank anzuschaffen. NatĂĽrlich wies ich dieses Ansinnen empört von mir. Ich will keine neue Bank und keine neue Ehe. Tröstend bot er mir an, das Bänkchen wieder zu reparieren, die Bretter wieder zusammenzunageln, das ginge schon, zehn, zwanzig Nägel und ein Hammer, mehr brauche es nicht. „Jaja, geflickt, zusammengeschustert, immer kurz vorm auseinanderfallen, nein danke! Ich will mein Bänkchen und meine Ehe, so wie sie waren, mit lebenslanger Garantie fĂĽr beides!“ Doch, doch, ich kann durchaus renitent und bockig sein, gar keine Frage.

Aber ich komme auch bei Zeiten wieder zur Vernunft. Unsere Ehe ist nicht aus morschem Holz gemacht, sie ist gewoben aus festen Seilen. Aus dünnen Fädchen erster Liebe wurden mit den Jahren immer dickerer Stränge gewoben, Taue, die verlässlich halten und tragen, mal den einen, mal den anderen, ein ganzes Familiennetzt ist daraus geworden, Glück und Schmerz, Freude und Leid, Vergeben und Aushalten, Reden und Schweigen, Trost und Halt, alles mit drin, Schicht um Schicht. Eine Bank wird morsch, eine Ehe im günstigsten Fall immer haltbarer. Ubi caritas et amor, ibi deus est. Wo die Liebe und die Güte, das ist Gott. Ohne ihn geht es nicht, daran glaube ich. Und wenn Ehe so ist, dann ist sie ein großes Geschenk, dass du nicht im Baumarkt kaufen kannst, oder bei Ikea. Du musst es hüten, wie den kostbarsten Schatz, und es gut im Auge behalten.

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Ich hätte es besser pflegen müssen, mein Bänkchen. Etwas Öl auf die rissige Oberfläche streichen, ein kleiner Nagel hier und da, nicht ganz so überstrapazieren, nicht ungeschützt den Elementen aussetzen. Hätte es alles im Baumarkt gegeben, aber es kam immer irgendetwas dazwischen. Und auch wenn die Ehe nicht aus morschem Holz ist, so will sie doch trotzdem gepflegt werden. Ehepflege gibt es leider nicht im Baumarkt, da muss uns schon selbst etwas einfallen. Lass nichts dazwischen kommen.

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3 Kommentare zu „Morsches Holz und feste Seile“

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