#1 Sag mir, wie hältst du es mit… der Liebe?

Ich habe ein schönes, neues Regal aufgestellt, hier in meinem kleinen Blockeckchen. Noch ist es ganz leer, aber jeden Monat will ich eine kleine Kostbarkeit hineinstellen, etwas Besonderes, etwas, was einen würdigen Platz in einem hübschen neuen Regal mehr als verdient hat. Denn es sind mir einige Fragen in den Sinn gekommen und bei näherer Betrachtung dachte ich mir, dass sich diese Fragen jedes Menschlein auf Erden stellen sollte und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Als Standortbestimmung, zur Justierung des Seelenkompasses, um ein wenig Licht in dunkle Ecken zu bringen. Dabei sind die Perspektiven und Antworten anderer mitunter sehr hilfreich und so habe ich noch ein Sofa vors Regal geschoben, ein außerordentlich gemütliches mit vielen, vielen Kissen. Hier darf mein Gast des Monats Platz nehmen und uns seine Antwort schenken, darüber freue ich mich wirklich ganz außerordentlich.

Heute geht es los!  Ich sitze schon und neben mir sitzt die wunderbare Buchautorin Veronika Smoor. Hol dir schnell ein Tässchen voll Getränk, das deine Seele wärmt, dann komme zu uns, auf das gemütliche Sofa und… Sag mir, wie hältst du es mit der Liebe?

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Ich sage: „Wann immer ich an die Liebe denke, denke ich an kleine Samen, tief in dunkle Erde des Herzens gelegt. Du weißt nicht, was daraus erwachsen wird, aber du tust gut daran, es im Auge zu behalten, es zu behüten und zu pflegen. Irgendwann keimt und sprosst es, nur Geduld, du kannst es nicht zwingen. Du beobachtest, was daraus wächst, noch weißt du es nicht. Vielleicht etwas mit verschwenderischer Blütenpracht aber kurzer Lebensdauer, vielleicht ein Gänseblümchen, klein, doch zauberhaft und unverwüstlich. Hoffentlich kein Unkraut oder giftiger Bärenklau, denn dann musst du rupfen, bevor nichts anderes mehr wachsen kann, im Garten deiner Seele. Die Liebe ist so vielfältig, so bunt und artenreich

. Die Liebe zu meinen Kindern keimte über all die Monate des Wartens um dann schlagartig aufzublühen, als ich sie zum ersten Mal in meinen Armen hielt, dieses Gewächs ist unverwüstlich. Die Liebe zu Freunden, über Jahre gewachsen mit tiefen, tiefen Wurzeln. Manchmal dachte ich schon, dass ein Pflänzchen eingegangen sei, doch dann trieb es wieder aus und belehrte mich eines Besseren. Manche Pflänzchen brauchen viel Pflege, manche sind unkompliziert und robust. Einige bringen reiche Frucht, sie nähren und versorgen dich, andere sind eher etwas fürs Auge.

Auch die Liebe zum Gatten war einmal ein kleines Samenkorn. Lange haben wir es beäugt, gegossen und dann wieder gewartet. Doch es wuchs und wuchs, in die Höhe und in die Tiefe. Heute steht da ein großer Baum mit stattlicher Krone und weit verzweigten Ästen. Mein Ruheplatz, mein Schutzort, wenn ich müde bin, kann ich in seinem Schatten sitzen, wenn mein Herz voll Freude ist, bietet er den richtige Ort, um eine Girlande aufzuhängen. Er hat einen dicken Stamm, um sich die Hörner abzustoßen, oder um sich daran festzuhalten. Manche Stürme hat dieser Baum überstanden, aber die Wurzeln reichen tief, mir war nie bange. Wir sammelten die abgeknickten Äste ein und machten weiter. Auch Bäume wollen pfleglich behandelt werden, sonst faulen sie oder werden hohl und morsch. Das ist Arbeit, manchmal sogar viel. Verdorrte Blätter wollen gekehrt werden, es braucht einen Rückschnitt von Zeit zu Zeit. Aber die Liebe lohnt immer.

So halte ich es mit der Liebe, denn meine größte Angst wäre ein Garten voller Steine, gekauft im Baumarkt, um das Leben fernzuhalten.“

Veronika sagt: „Mein Brautkleid war weiß.

Nicht strahlend weiß, sondern ein gebrochenes, ja fast eierschalenfarbenes Weiß. Ich habe bis heute eine Abneigung gegen strahlend weiße Brautkleider. Aus dem offensichtlichen Grund, dass diese grelle Nichtfarbe die Trägerin meist blass und müde aussehen lässt. Und so will keine am schönsten Tag ihres Lebens aussehen. Aber auch, weil ich generell eine Abneigung gegen zu grelle Farben und Nichtfarben habe. Ich fühle mich zu Hause in den pudrigen Tönen, den Grauzonen, den angedeuteten Farben. Wenn ich Hühner hätte (und ich hätte sie so gerne!), dann würde ich die Auraucana-Hühner halten, denn sie legen diese wunderbar grünen Eier. Ein angedeutetes, schwaches Grün. Wann immer ich solch einem Ei begegne, halte ich es eine Weile in meiner hohlen Hand, fühle seine kühle Glätte und erfreue mich an der Sanftheit der Farbe.

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Auch die Liebe mag es nicht zu grell. Keiner hält es allzu lange in der überwältigenden Strahlkraft der reinen Liebe aus. Sie kann uns blenden, ja blind machen für die leisen Töne, die Beständigkeit der Liebe.

Meine Liebe zu meinem Mann war anfangs der große Farbkasten. Grellrot, Hellgrün, Sonnengelb. Nun sind die Farben zu Zwischentönen geworden. Nicht auf den ersten Blick gefällig, sie drängeln sich nicht mehr wie ungebärdige Kinder nach vorne.

Letztens las ich das Buch „100 Jahre Leben“. Eine Journalistin interviewte 100-Jährige und diese öffneten ihren Erfahrungsschatz. Auch über die Liebe. Sie alle schmunzelten über die „jungen Leute“. Dass sie heutzutage die großen Gefühle überbewerteten und aus der Liebe ausstiegen, sobald sie sich von Purpurrot in ein ausgewaschenes Korallenrot verwandelte. Fast alle Zentenaren waren mit ihrem Partner bis zum Tode verbunden und schätzten am Ende die tiefe Freundschaft zu diesem einen Menschen.

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Ich will die Liebe, die ich mit meinem Mann habe wie ein rohes Ei in meiner hohlen Hand halten und mich an der Sanftheit ihrer Farben erfreuen.“

Was sagst du? Wie hältst du es mit der Liebe? Erzähle doch mal“!

Veronika Smoor ist Buchautorin und bloggt unter veronikasmoor.com. Ihr aktuelles Buch „Hoffnung leuchtet“ ist im scm- Verlag erschienen und ich kann es dir nur wärmstens ans Herz legen

3 Kommentare zu „#1 Sag mir, wie hältst du es mit… der Liebe?“

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