Ordinärer Oktober

Hast du mich schon vermisst, es ist etwas ruhiger hier, in diesen Tage. Wir stecken mitten in den Herbstferien und boah, was haben wir uns nach diesen Ferien gesehnt. Zwei Wochen ohne Hausaufgaben, ohne unbarmherziges Wecker-Klingeln, ohne endlose Listen, Verpflichtungen und nervige Tests und Arbeiten. Durchatmen. Pause machen. Wir haben uns auch nach einem ganz ordinären Oktober gesehnt, nicht wahr? Nach einem Oktober mit raschelndem Laub, Jackentaschen voll glänzender Kastanien und frischem Zwiebelkuchen, mit Erntegerüchen und Kürbissuppe. Das Aufregenste sollte ein neues Zimtschneckenrezept sein oder der Ankauf von festen Schuhen, warm und doch kleidsam. Mehr hätte es in diesem Jahr für meinen Geschmack nicht gebraucht. Alles wie gehabt, der Herbst, der Herbst, der Herbst ist daaa und sonst bitte gar nichts. Daraus scheint nichts zu werden, man kann diesem Jahr viel vorwerfen, aber ordinär ist es nicht. Wir müssen schauen, dass wir gut durch diesen Herbst und Winter kommen, durch die Pandemie (ich hoffe ja wenigstens „Magen_Darm“ ist dieses Jahr in Urlaub) und durch das laute Geplärr der Welt mit ihren vielen Meinungen, Wahrheits- und Absolutheitsansprüchen. Ganz wirr wird man im Kopf von all diesem Getöse und bang im Herzen kann es einem auch werden, die Viren fliegen tief und die Deutungshoheiten über das Weltgeschehen auch.

Auf unserem Klo steht ein Körbchen und im Körbchen findest du alles, was dir im Notfall weiterhelfen kann (außer Schokolade, die passt nicht ins Körbchen, die braucht einen ganzen Schrank). Pflaster, Kopfschmerztabletten, ein Öl für Knieschmerzen, eines für verstopfte Nasen und eines für die ruhige Nacht, nichtbrennendes Desinfektionsspray, Augentropfen für die trockene Bindehaut und ein Kirschkernkissen. Damit kommt man schon ganz gut durchs Leben, die meisten Alltagsleiden kannst du damit kurieren.

In diesen ganz und gar nicht ordinären Zeiten empfiehlt es sich dringend, ein weiteres Körbchen bereitzuhalten. Es steht in deinem Kopf oder als Liste in deinem schlauen Buch für alle Tage. Es sollte alles enthalten, was dir und den deinen im Notfall weiterhilft. Wenn die Angst dich überkommt, die Weltfurcht oder Selbstzweifel. Wenn der Alltag Purzelbäume schlägt und euch schwindelt, ihr gemeinsam ein paar Tränen über dem Matheübungsblatt mit 103 Nummern vergossen habt, wenn der trübe Tag viel zu viele und doch viel zu wenige Stunden hat (das soll vorkommen, doch, doch). Bei Anfällen von Gereiztheit, akuter Mutlosigkeit und Arbeitsüberdruss, bei Übelkeit durch zu viel Nachrichten und Meinungskonsum und bei Erschöpfung. Wir sollten vorbereitet sein.

Ich kann dir beim Richten deines Körbchens leider nicht behilflich sein, denn was uns nützt, macht für euch die Sache womöglich noch viel schlimmer. Aber ich kann dir verraten, was in meinem Körbchen liegt und vielleicht ist es dir Inspiration. Hinein kommen nur ganz ordinäre Dinge, unkomplizierte, unaufgeregte, sonst wären sie der Heilung kaum dienlich.

In meinem findest du also frische Luft bis zum Abwinken. Wenn alles zu eng wird, wenn die Gedanken kreisen, wenn es grummelt und gärt, dann gehe ich. Gehen ist tatsächlich, neben Kirschkernkissen und Schokolade, mein Heilmittel der ersten Wahl. Ich gehe mit dem Gatten jeden Abend, ja auch wenn es dunkel ist und regnet, wozu hat es den Straßenlaternen? Ich gehe alleine, manchmal nur zehn Minuten, Hauptsache Sauerstoff , Hauptsache Bewegung. Übrigens wirkt dieses Wundermittel erprobtermaßen auch bei überlasteten Kinderköpfen. Wenn nichts mehr geht, dann schicke ich sie gehen, viel mehr rennen. Einmal, zweimal um den Pudding. Danach fluppen die Vokabeln in der Regel besser.

Kleine Projekte findest du in meinem Körbchen. Wenn ich, wie zur Zeit häufig, den Eindruck habe, dass mir alles ein wenig über den Kopf wuchert, dann brauche ich kleine Beweise meiner Selbstwirksamkeit, winzige Erfolgserlebnisse, mit den Händen greifbar. Eine gestrickte Kindermütze, ein paar Socken, ein gebackenes Brot, ein Teller Kekse. Mein großes Mädchen backt dann Muffins, einer malt dann ein Bild, einer bringt das Altglas weg, da scheppert es wenigstens ordentlich. Ich werke Einfachheiten mit meinen Händen und spüre, dass ich eben doch einiges im Griff habe.

Eine echte erste Hilfe Maßnahme ist das Treffen mit einer guten Freundin. „Ha,“ winkst du vielleicht müde ab. „Schön wär es ja, aber…“ Nicht aber, trotzdem. Auch wenn die Müdigkeit schwer wiegt, auch wenn es gerade überhaupt nicht passt, auch wenn es tausend wichtigere Dinge gäbe. Eine Freundin heilt. Bei einem Treffen, bei einem Spaziergang, zur Not auch am Telefon. Und weil sie eine Freundin ist, fang ich irgendwann an zu lachen, zu scherzen, ein wenig albern zu sein, über all den Irrsinn. Nichts heilt besser als das Lachen mit einem vertrauten Menschen.

Wenn es blöd läuft, wenn knirscht und kracht und einfach alles mistig ist, dann hole ich aus meinem Körbchen die Schönheit hervor. Wenn das Leben hässlich scheint, dann muss man es sich schön machen. Die Kerze anzünden, denn Teepott auf den Tisch stellen. Die Kekse nicht vergessen, oder Waffeln, ja, ich meine die aus Weißmehl mit einer dicken Schicht Puderzucker. Blumen in der Vase. Ein Filmabend für alle und die Snacks nicht vergessen. Ein Vorlesestündchen. Hinter dem Buch und unter der Decke lässt sich das Chaos drumherum gut ignorieren.

Gaaanz wichtiges Teil, wirklich, ich glaube, dass darf auch bei dir nicht fehlen, ist eine dicke, fette fünf. Und die lasse ich beherzt gerade sein. Es geht immer sauberer, sportlicher, gesünder, frommer, klüger, exakter, schlanker, ordentlicher und besser, ja besser sowieso. Aber hei, eine gerade fünf kann auch sehr hübsch sein. Lass uns gnädig sein, gerade jetzt, mit uns und unseren Lieben und mit allen anderen auch, mit unseren Grenzen und Schwächen. Lass uns bedenken, dass der Mensch eben ein begrenztes Wesen ist und niemals fertig, also warum um Himmels willen, tun wir so, als müssten wir alle ausgerechnet heute fertig werden?!

Und freundliche Worte dürfen nicht fehlen, gute Worte, ermutigende. Zu lesen bei klugen Menschen und selten auf facebook. Zu sprechen von mir, gerade wenn andere nur noch garstige finden, immer und immer muss man sich neu dazu entschließen. Zu beten, zu hören in unseren Herzen, zu flüstern in die Ohren unserer Lieben, zu schreiben in Briefen und Nachrichten an Menschen, die sie brauchen.

„Aha“, magst du denken. „Der Überraschungsklopper war da jetzt aber nicht bei.“ Nein natürlich nicht, es soll ja ganz simpel sein, einfache Hilfs- und Hausmittel, keine mehrstündige Hirnoperation. Noch haben wir hier einige ruhige Tage, bevor der Alltag wieder Fahrt aufnimmt. Zeit, sich zu rüsten. Was liegt in deinem Körbchen?

ich wünsche dir von Herzen so viele ordinäre Tage, wie nur irgend möglich.

5 Kommentare zu „Ordinärer Oktober“

  1. Das hast du einfach wunderbar geschrieben !!! Bei uns geht´s jetzt erst richtig los…Herbstferien …….ab Freitag Nachmittag !
    Grüße Magda

  2. Ich kann mich nur anschließen. Sehr schön Deine Beschreibung und tolle Fotos dazu. Besonders die zwei niedlichen Katzen…zum Klauen.

    Liebe Grüße
    Gisela

  3. Pingback: Räumt auf und vergesst nicht das gute Leben! – Veronika Smoor

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