Survivaltraining

Neulich haben der Gatte und ich einen Film geschaut. Das ist schon allein deshalb erwähnenswert, weil ich äußerst ungern Filme schaue. Ich bin die wohl schlechteste Cineastin, die man sich nur vorstellen kann und wenn mich etwas in dieser Pandemie gänzlich unberührt lässt, dann ist es die Schließung der Kinos. Sie fehlen mir kein Stück (wobei alle Kinobetreiber, Angestellte und Filmfreunde natürlich mein vollstes Mitgefühl haben). Mir fehlt schlicht die Geduld für lange Filmvergnügen und ich seufzte damals tief vor Erleichterung, als die Titanic endlich gesunken war . Also, diesen Film von fragwürdiger Qualität habe ich vor ein paar Tagen mit dem Gatten geschaut und ich hatte viel Spaß dabei. Es war ein Film über zwei Überlebende eines Flugzeugabsturzes in irgendeiner furchterregenden Gebirgslandschaft mit wilden Tieren und klaftertiefem Schnee. Natürlich waren die Überlebenden ein Mann und eine Frau und selbstverständlich konnten sie sich anfangs gar nicht leiden und zum Ende hin ganz ausgezeichnet. Zu Beginn war man für diesen Ernstfall ziemlich gut gerüstet, sie scheiterten nicht an so etwas Banalem wie Feuer, Wärmefolie oder Keksen. Irgendwann nützte jedoch auch die beste Ausrüstung nichts mehr. Irgendwann waren sie einfach nur müde und erschöpft, gereizt und streitlustig. Ein Ausweg war nicht in Sicht, nur Schnee und Berge und bissige Raubkatzen, ab da wurde es ernsthaft gefährlich. Überleben war alles.

Hach, die beiden hatten ja mein vollstes Verständnis und ich fühlte mich ihnen sehr verbunden. Waren wir im März letzten Jahres nicht auch überrumpelt von der Coronastrophe? Und waren wir nicht binnen Tagen gerüstet mit einer Vielfalt an Plänen, Bastelkits, Wohnzimmersportprogrammen und Brotbackrezepten? An so etwas Banalem würden wir nicht scheitern. Und doch, jetzt, viele Monate später, sind wir einfach nur noch müde und erschöpft, gereizt und streitlustig. Ein Ausweg scheint nicht in Sichtweite, nur die eigenen vier Wände, homeschooling und die endlose Weiten der Plattformen. Ab jetzt geht es nur noch darum, das Ganze irgendwie zu überstehen, ohne größeren Schaden an Leib und Seelen zu nehmen.

Also, ich belästige dich nicht mehr mit detaillierten Tagesplänen und bunten Basteltipps , keine Bange. Aber ich verrate dir einige meine persönlichen survival-Maßnahmen, die erstens keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben und die du zweitens umgehend wieder verwerfen darfst, wenn sie für dich nichts taugen.

5 ist eine gerade Zahl, Punktum. Ich für meinen Teil sehe aktuell absolut keine Notwendigkeit für Debatten über Medienzeiten und ähnliche Nichtigkeiten, über die ich vor einigen Monaten noch großen Diskussionsbedarf hatte. Schokoladenkekse sind ein der Gesundheit zuträglicher Pausensnack, insbesondere der seelischen Gesundheit. Sie wirken vor allem, wenn du sie mit einem lieben Wort auf den Schreibtisch stellst und vielleicht noch um eine Tasse Kakao ergänzt. Nudeln mit Spinatsoße, Tortellini in Sahnesauce und One-Pot-Pasta in genau dieser Reihenfolge sind ein abwechslungsreicher Speiseplan. Lass uns gnädig sein.

Die Broken-Window-Theorie predige ich trotzdem ohne Unterlass. Schließlich müssen wir hier alle gut zusammen leben und uns wohlfühlen. Verwahrlosende Kinder- und Jugendzimmer tragen nicht zu meinem persönlichen Wohlbefinden bei. Chaos hat die Eigenschaft zu wachsen und zu wuchern, wie ein vergessener Hefeteig. Auch wenn ich alle zementierten Pläne in die Tonne getreten habe, beharre ich auf Lüften, verräumte Wäsche und gemachte Betten und zwar jeden Morgen. Im Chaos lässt es sich nämlich auch schlecht arbeiten, egal, wie alt du bist.

Samstage haben mich jetzt ĂĽber viele, viele Monate nur geärgert (ganz pandemieunabhängig). Während nämlich fĂĽr alle anderen Wochenende und damit Pause von allen schulischen und beruflichen Herausforderungen war, machte ich den selben Kram, wie jeden Tag und noch mehr. Denn irgendwann muss ja alles abgearbeitet werden, was unter der Woche liegen bleibt. Also habe ich sehr viele Samstage sehr emsig und sehr angefressen-beleidigt verbracht. Seit einigen Wochen habe ich die Lösung und sie funktioniert hier tatsächlich ĂĽberraschend gut. Nach dem SamstagsfrĂĽhstĂĽck hole ich Stift und Papier und wir fertigen eine Liste mit allen zu erledigenden Tätigkeiten. Da steht dann Klopapier auffĂĽllen auf allen Toiletten (und bei der Gelegenheit gleich mal die SchĂĽsseln wischen…), Socken sortieren, Altglas wegbringen, Staubsaugen, Auto waschen oder einen Kuchen fĂĽr Sonntag backen. Jeder wählt, was er erledigen möchte und jetzt habe ich einen sauberen KĂĽhlschrank, immer genug Papier zum Wischen und sonntags frischen Kuchen. Nichts davon muss ich selber tun. Und kleine Klo-Putzer und groĂźe Kuchenbäckerinnen sind äuĂźerst zufrieden mit sich, der eigenen TĂĽchtigkeit und ihrem unbestreitbaren Wert fĂĽr die Gemeinschaft.

Pause. Ist natĂĽrlich ein alter Hut. Hängt gleich neben der SelbstfĂĽrsorge und der schon leicht angeranzten Achtsamkeit am Haken. Ich bin ja ganz schlecht in Pausen, denn sie machen mich furchtbar nervös. Aber ich habe gelernt, dass es keine Gesetze fĂĽr die Länge und Art und Weise von Pausen gibt. Dank meiner Physiotherapeutin liege ich jetzt jeden Mittag zehn Minuten auf dem blanken Boden rum. Alleine. Das ist genau meine Art von Pause und sie hilft mir tatsächlich beim Atmen und Runterkommen. Was ist deine Art von Pause? Ein Spaziergang? Eine Stunde schlafen, Tee-Trinken, Buch lesen oder dich auf dem Klo verstecken? Egal wie, Hauptsache du machst eine. Wegen der SelbstfĂĽrsorge und der Achtsamkeit und so….Duschen, Einkaufen im Supermarkt oder alleine Wäsche waschen fällt ĂĽbrigens nicht unter Pause!

Analoge Begegnungen sind unersetzlich. Auch im eigenen Haus. Stunde um Stunde verbringen wir alle an unseren Laptops und Tablets, auf Plattformen und in irgendwelchen Chats. Unsere Teenies arbeiten online und still in ihren Zimmern, was einerseits gut ist, denn ich kann ihnen beim besten Willen nicht mehr helfen, aber andererseits ist es nun mal eine veritable Katastrophe, denn gerade Jugendliche brauchen Gleichaltrige und echtes Leben, verflixt noch eins. Zu den Mahlzeiten sollten alle Maulwürfe aus den Höhlen kriechen, und mit echten Menschen face to face reden, streiten, lachen. Eine gemeinsame Serie kann Wunder wirken und die guten alten Gesellschaftsspiele auch, zumindest einige, zumindest die mit geringem Ausflipp-Faktor.

Pläne. Keine langfristigen natürlich. Nur die für den nächsten Tag. Jeden Abend treffe ich mich mit meinem Fünftklässler und wir planen seinen Tag, wann welche Konferenzen sind, wann Pausen möglich sind und wann was erledigt und hochgeladen werden muss. Schriftlich festgehalten und zum Abhaken bereitgelegt, hat er nicht länger das Gefühl im Chaos zu versinken oder versehentlich etwas zu übersehen. Unser großer Junge schreibt seine Pläne mit Kreidemarker an seine Fensterscheibe und ich schreibe eh immer alles auf. Verschriftlichen hilft, den Überblick zu bewahren, vor allem, wenn es unübersichtlich wird. Du kannst Gedanken sortieren und das Hirn entlasten. Es nimmt Ängste und bewahrt Erinnerungen Tagebücher, Listen, Pläne, in Kalender und in Notizbücher, fast alles ist es wert notiert zu werden, selbst Einkaufslisten und Essenspläne können irgendwann historischen Wert erlangen. Falls du Inspiration suchst, dann darf ich dir den Blog http://stiftherzpapier.de von Anne wärmstens ans Herz legen. Sie hat tolle Ideen und Anleitungen auf ihrer Seite, so dass du direkt Lust bekommst umgehend loszulegen.

Was anderes hören. Ich bin groĂźer Podcast-Fan geworden. Ich will einfach mal etwas anderes hören. Mein absoluter Favorit ist der, der einst im Radio begann und den ich schon damals gern gehört habe. „Wie war dein Tag, Liebling“ mit Anke Engelke und Kristian Thees. Ich höre ihre kleinen Geschichten und Absurditäten so wahnsinnig gerne, denn sie sind lustig und spannend, weit weg von jeder Selbstoptimierungsanleitung oder Problemwälzerei und noch weiter weg von Kindern, homeschooling und dem ganzen Gedönse.

Beten.

Gut, mehr habe ich zur Zeit auch nicht im Angebot, hast du noch ein paar ultimative Survivaltipps? Dann nur immer her damit. Ich danke jetzt schon. Und wĂĽnsche dir weiter einen langen Atem, Nerven, so dick, wie Drahtseile, ein paar Kekse in der Dose und immer einen Extravorrat Geduld. Mit dir und den deinen und dem ganzen langen Weg. Denk dran, ĂĽberleben ist alles!

6 Kommentare zu „Survivaltraining“

  1. Christina Kutz

    Hallo
    Witzig, dass du den Film erwähnst, der ja als Hauptdarstellerin die gleiche wie bei Titanic hat ? hab den Film auch erst gesehen und fand ihn ganz schön.
    Danke fĂĽr deine survival Tipps, die fand ich sehr hilfreich.
    Ein paar Tipps zur Ergänzung hätte ich noch :

    -Raus gehen: Gott sei dank ist die ausgangssperre erst Abends und wir können alleine (oder mit einer Freundin) raus zum walken oder spazieren gehen und nehmen die kids mit, damit die sich austoben können oder drehen mit dem göttergatten oder der ganzen family eine Runde.

    -Tanzen: ich hab im Internet ganz tolle Videos zur dance fitness gefunden und es macht sooo spass! Der Gatte hat zwar bissl komisch geguckt als ich stampfend und hintern wackelnd durchs Wohnzimmer getanzt bin, aber was solls, ich werde meine Energie los und es setzt GlĂĽcksgefĂĽhle frei.

    -Lesen: alleine abtauchen mal woanders hin und auftanken oder gemeinsam mit den kids lesen, tut einfach gut.

    -Spässle machen: Witze vorlesen und erzählen oder einfach nur Blödsinn schwätzen, Hauptsache es wird gelacht. Mach ich auch gern mit meinen Patienten in der ambulanten Pflege, alle sind dann gut gelaunt.

    -Kochen und backen (oder lassen , z.b. von der groĂźen Tochter oder dem lieblingsitaliener : liebe geht durch den Magen und es heiĂźt nicht umsonst soul food, Nahrung fĂĽr Leib und Seele ?

    -mit der besten Freundin treffen oder telefonieren

    -in der Badewanne baden und so tun als ob ich in der Therme bin ?

    – Lobpreis hören

    So des sind noch meine Tipps.

    Lg aus dem schwabenländle
    Christina

  2. Oh ja, Durchhalten ist jetzt die wahre Kunst, im FrĂĽhjahr war alles noch ein Abenteuer, ein „Haben wir das auch mal miterlebt“.
    Gegen den Lagerkoller durch Monotonie hilft es uns, wöchentlich die Sitz-Plätze zu wechseln. Am Esstisch am einfachsten umzusetzen, wer kann, auch die Schreibtische. Neuer Platz, neuer Ausblick, neue Perspektive, (fast sowas wie ein) neues Lebensgefühl!?

  3. Ach, ich mag deine Bloggedanken und Tipps. Wir haben hier nur eine Zweijährige zu bespaßen und auch die Kunst des guten Essens für uns entdeckt.
    Und unser ultimativer Tipp heiĂźt: jeden Tag drauĂźen sein und sich selbst lĂĽften. Hilft ungemein, Spannungen abzubauen. Und umarmen und tanzen und loben, auch fĂĽr die „Alltäglichkeiten“.
    Liebe Grüße und morgen einen schönen Samstag.

  4. Danke fĂĽr alletipps und jede Zeile Humor, auch in den Kommentaren.
    Dein Speiseplan gefällt mir. Und ich merke gnädiger sein mit mir und den Schulkindern ist gerade das was dran ist. .. schokokekse sind ein Snack weistdu was, ich geh backen.

    Mein Tipp: im Tante Emma Laden einkaufen gehen. Da lernen die zwerge den Umgang mit Geld so wie wir frĂĽher…das machen wir jetzt wöchentlich.

    Pudding kochen, gut fĂĽr die Seele und essen gehen ! Und ja auch mal ein Buch bestellen, das letzte habe ich bei der Autorin bestellt. Hat was.

  5. Stefanie MĂĽller

    Ich lese Deinen Blog schon lange, danke fĂĽr die vielen Inspirationen! Gerade in dem letzten Jahr waren die 6 Blogs, die meinen Weg gekreuzt haben, manchmal meine Rettung. Ich habe zwar schon grössere „Kinder“ (20/17/15). Aber auch da heisst es schlechte Stimmungen auffangen, mal zu einem Spiel verknurren, dass das Handy Pause hat. Ăśberwachen, dass die Ă„mtli gemacht werden. Filmabende mit gebrannten Mandeln oder Zimtschnecken. Der Nachwuchs hat das Kochen/Backen entdeckt und auch, wie man anschliessend aufräumt:-) Und einkaufen, kochen kochen kochen. Dreimal am Tag in der KĂĽche stehen und gefĂĽhlt eine Armee bekochen. Aber die Kinder sind nun neu fĂĽr den Menu-Plan und die Einkaufsliste zuständig. Alle zu Hause (inklusive Gatte), gerade wo man sich auf neue Unabhängigkeiten gefreut hatte, ist das Haus dauerbevölkert. Was aber einzigartig ist in dieser Zeit, ich habe vielmehr Qualitätszeit mit meinen Grossen.

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