Wie erzieht man Eltern

Man könnte doch meinen, dass mit Beginn eines neuen Schuljahres lernhungrige Kinder und Jugendliche eiligst aus dem Haus stĂĽrzen und ihrer Mutter endlich die Erholung gönnen, die sich in sechs Wochen Ferien hart erarbeitet hat. Aber nichts da. Ständig kommt etwas dazwischen, euphemistisch auch „Selbstständige Arbeitszeit in Randstunden“ genannt, oder etwas einfallslos schlicht „Entfall“ oder „rumpeliger Anfang“, wie eben in jedem Jahr. Deshalb sitzen mir an meinem Arbeitsplätzchen auch zwei Buben gegenĂĽber, die in aller AusfĂĽhrlichkeit und MuĂźe mit FrĂĽhstĂĽcken beschäftigt sind. Der Verzehr von Schokoaufstrich-Brötchen (nein, ist kein Nutella, sondern ein Import aus Frankreich und damit als gesunde Delikatesse einzustufen) hindert sie nicht daran, vor klugen Vorschlägen fĂĽr mein Blogeckchen nur so ĂĽberzusprudeln. Der Jugend soll man immer Gehör schenken, womit die seltsame Ăśberschrift hinreichend erklärt wäre.

Ich hatte ehrlich gesagt nicht vor, mich mit der Erziehung von Eltern näher zu beschäftigen. Doch wenn ich es recht bedenke, passt diese Überschrift ganz gut. Letzte Woche war mal wieder Doppelgeburtstag bei den 7geisslein und auf der einen Torte brannten sage und schreibe sechzehn Kerzen. Sechzehn! Das bedeutet nichts anderes als das ich seit sechzehn Jahren Mutter bin. Auch weniger sentimentale Gemüter als ich es bin, können da durchaus ein wenig angefasst reagieren. Ich bin selbstverständlich heillos sentimental. Vielleicht auch deshalb, weil ich mich nicht mehr erinnern kann, wie es war drei oder fünf zu sein, aber ich weiß noch haargenau, wie es war, 16 zu sein. Meine innere Sechzehnjährige ist immer noch leicht derangiert und wird sich schätzungsweise erst gefangen haben, wenn wir dann sechzig sind. Und nun steht vor mir dieser Kerl, der mich schon um mehr als eine Kopflänge überragt, geworden aus jenem winzigen Menschlein, dass dem Gatten vor 16 Jahren zum Geburtstag geschenkt wurde. Drei Tage später wurde der Kerl gefirmt. Gestern begann seine Oberstufenzeit. Es ist als würde das Leben mit großen Scheunentoren winken, um auch nicht den leisesten Zweifel daran bestehen zu lassen, dass hier ein neuer Lebensabschnitt eingeläutet wird. Das Ende einer Kindheit. Der Beginn des aufregenden, wunderschönen, schmerzlichen und kurvigen Weg des Erwachsenwerdens.

Und natĂĽrlich quillt mein Herz ĂĽber vor Dankbarkeit und Freude. NatĂĽrlich schniefe ich ein bisschen ĂĽber alten Babybildern. NatĂĽrlich sinniere ich ein wenig wehmĂĽtig und wenig originell ĂĽber den Lauf der Zeit, wie im Flug, nicht wahr?, und ĂĽber das Wachsen und Werden. Hat er alles, was es zu einem guten Leben braucht? Hätten wir nicht besser und mĂĽssten wir nicht noch…? Was ist wenn und wie wird es werden…?

Mit der Firmung erhält es sich so, dass der Jugendliche nicht nur vorne steht und an der Stelle „ja“ sagt, an der vor vielen Jahren die Eltern „ja“ sagten als sie das kleine Menschenkind zur Taufe trugen. Vielmehr muss man sich zur Firmung selbst anmelden, eine eigene Entscheidung treffen, eine Abwägung, eine Wahl. Wir haben als Eltern unser Bestes gegeben, um ein solides Fundament zu bauen. Doch weil wir schon zu Beginn dieser Elternreise unsere Ahnungslosigkeit ahnten, haben wir das uns anvertraute Menschenleben unter den Schutz dessen gestellt, auf den wir vertrauen, auf den wir hoffen, der Himmel und Erde und uns alle kennt, aushält und erhält. Ein Fundament der Ewigkeit, das trägt, egal wie dilettantisch unser BemĂĽhen manchmal war und ist. Ist aus dem Menschlein ein Kerl geworden, muss er selbst entscheiden, auf was er bauen möchte, immer und immer wieder neu, fĂĽr den Rest seines Lebens. Du kannst und darfst ihm das nicht abnehmen, es ist nicht länger deine Baustelle. Die Firmung (oder was auch immer bei euch ĂĽblich ist) ist ein erster wichtiger Schritt. Er hätte sich auch dagegen entscheiden können und dĂĽrfen. Unzählige weitere dieser kleinen und groĂźen Schritte, kleine und groĂźe Lebensentscheidungen werden folgen. Du trägst dein Kind nicht mehr, aber du darfst trotzdem mitgehen. Bleibst an seiner Seite. Lächelst ihm aufmunternd zu, wenn sein Blick den deinen sucht. Aus Erziehen und Entscheiden wird immer mehr Begleiten, Beraten, Besprechen. So werden Eltern erzogen. Dein Kind lehrt dich loszulassen aus Liebe. Zu vertrauen auf das Leben, auf den Welten und den Himmelslauf, wenn du GlĂĽck hast, drĂĽckt es dich fest, wenn dir das Herz mal wieder ĂĽberquillt.

Ich habe immer und immer gesagt, dass man für das eigene Seelenheil eigentlich stets ein Zweijähriges im Hause haben sollte, dieses wunderbar süße Alter, so aufgeweckt fröhlich und voller Neugier auf das Leben. Das lässt sich auf Dauer leider nicht bewerkstelligen, aber nun zeigt sich, Gott sei Dank, wie günstig sich auch die Anwesenheit großer Kerle und Kerlinen auf das eigene Seelenheil auswirken. Sie können dir Sachen ganz oben aus dem Schrank holen, sie können diskutieren und deine Hirnwindungen zum Glühen bringen, sind voller Neugier auf das Leben und äußerst aufgeweckt obendrein. Der Jugend sollte man immer Gehör schenken.

Ganz Praktisch:

  • Pancake-Segen: Aus GrĂĽnden gibt es bei uns an Sonntagmorgenden seit einigen Wochen Pancakes. Im Unterschied zum Rest der Familie stehe ich an jedem Wochentag sehr frĂĽh auf und es macht mir nicht das kleinste Bisschen aus, eine SchĂĽssel Teig zu rĂĽhren und die Pfanne auf den Herd zu stellen. Es ist eine Art Sonntagsmeditation. Dabei habe ich gemerkt, was fĂĽr eine wunderbare Möglichkeit es ist, fĂĽr meine Familie zu beten. Mit jeder Portion ein Segen fĂĽr jedes Familienmitglied mit allem, was ich auf dem herzen fĂĽr diesen Menschen habe. Ich weiĂź von Leuten, die die Besitzer der jeweiligen KleidungsstĂĽcke segnen, die sie gerade bĂĽgeln. Leider bĂĽgle ich wahnsinnig ungern, also gar nicht. Ist diese Idee nicht wunderbar? Du verknĂĽpfst eine eher unliebsame oder langweilige Tätigkeit mit etwas, was auch die Seele anzieht und nährt.
  • Spiele spielen: ich bin ja immer auf der Suche nach guten Spielen mit geringem Ausflippfaktor. Das Kritzel-Spiel gehört dazu und war eine echte Entdeckung. Macht Allen in allen Altersgruppen SpaĂź und ist äuĂźerst unaufwendig.
  • Auf die Ohren: den Zeit-Verbrechen-Podcast lege ich dir herzlich an die Ohren. Nicht nur fĂĽr interessante Unterhaltung, sondern weil er immer wieder zeigt, dass es keine einfachen Antworten gibt, das jede Geschichte nicht nur zwei sondern viele Seiten hat, das Recht und Unrecht nicht immer klar zu definieren sind. Das gilt fĂĽr alle Lebensbereiche, also nimmst du viel Kluges mit

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2 Kommentare zu „Wie erzieht man Eltern“

  1. Hallo liebe Sandra, ich liebe deine Einträge und tanke dadurch enorm auf, habe mir jetzt auch endlich dein Buch bestellt ? Vielen Dank für deine wertvollen Zeilen, ich bin selber Theologin und es freut mich einfach sehr wie du den Glauben in so wunderschönen Worten ausdrückst ?
    Ich habe mal noch eine ganz praktische Frage, die wo ganz anders herrührt. Auf den Bildern hab ich entdeckt, dass ihr den gleichen Geburtstagszug habt wie wir, wie macht ihr das, wenn sich die Zahlen doppeln, z.B. bei 44? Soweit ich weiß, gibt’s die Zahlen ja leider nicht einzeln zu kaufen…. Sei ganz sehr gesegnet! Julia

    1. pcarquevilleadmin

      Liebe Julia, vielen Dank fĂĽr deine freundlichen Worte! Wir haben tatsächlich zwei GeburtstagszĂĽge seit wir Zwillinge haben. Wir haben aber vorher auch schon mal eine Zahl aus Tonkarton ausgeschnitten…hat auch gehalten. Liebe GrĂĽĂźe

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