Das sind seltsame Zeiten, nicht wahr? Die kommenden Monate scheinen viel Ungewisses im Gepäck zu haben und der Bescheid über künftige Gasabschlagszahlungen ist offensichtlich nur ein Teil des Schlamassels. Gestern ist unsere Waschmaschine verstorben, plötzlich und unerwartet. Bei Supermarkteinkäufen habe ich jetzt immer den Eindruck, dass der zu zahlende Preis das Ergebnis eines irren Würfelspiels ist, dessen einzige echte Regel darin besteht, zum Schluss eine höhere Summe zu erzielen als in der vorangegangenen Woche. Wie geht es all denen, die von jetzt auf gleich in echten Schwierigkeiten stecken, die um ihre Geschäfte und ihr Zuhause bangen müssen, diejenigen, denen Heizradiatoren plötzlich wie eine plausible Lösung erscheinen? Manchmal machen mich die Nachrichten, die jeden Abend in unser Wohnzimmer getragen werden und die damit einhergehende Hilf- und Ratlosigkeit einfach müde.
Höchste Zeit also um sich auf die Suche nach ein paar gute Nachrichten zu machen. Vielleicht ist genau das der Moment, in dem du entnervst die Augen rollst und denkst: „Ist ja ganz was Neues- Schon wieder!“. Vielleicht ermĂĽdet dich schon der bloĂźe Gedanke an die ewige Sucherei nach dem Guten und Schönen und zugegebener MaĂźen ist er ja auch nicht eben neu. Aber! Wie ich meinen häufig ebenso entnervten Kindern gerne predige: „Akzeptanz durch Penetranz!“ NatĂĽrlich nerve ich meine Kinder eher mit Tischmanieren und dem Wäschekorb, liegengelassenen Schulsachen und gerader Haltung.
Trotzdem glaube ich an die Wirksamkeit des Satzes. Akzeptanz durch Penetranz. Stetiges Wiederholen und Zurückholen alter Wahrheiten, das Voraugenhalten der kleinen Kostbarkeiten des Lebens, das Wertschätzen des Augenblicks, das Suchen und Bewahren der guten Nachrichten, damit sie neben all der Katastrophenmeldungen nicht verloren gehen. Denn auch und gerade in irren Zeiten dürfen wir uns freuen, brauchen wir die kleinen und großen Schätze des Alltags, die du sammeln kannst als seiest du Pipi Langstrumpf, die weltbeste Sachensucherin. Das Leben ist schmerzhaft UND heilsam, hässlich UND zauberhaft, mühsam UND voller Leichtigkeit, ein Jammertal UND ein Paradies.
Lass mich ein wenig penetrant sein und dir ein paar gute Nachrichten erzählen.
Unser Garten hatte sich während des Sommers in eine braungelbe Steppe verwandelt, an manchen Stellen war überhaupt kein Hälmchen mehr sichtbar. Genau auf diese Stellen säte der Gatte vor der Abfahrt in den Urlaub neue Grassamen aus, ein wenig albern und einfältig nicht wahr? Nach unserer Rückkehr waren die Stellen immer noch genauso braun und kahl, wie ich es erwartet hatte. Ehrlich gesagt, dachte die Misanthropin in mir, dass da überhaupt nie wieder etwas wachsen würde. Bumms, ich habe mich geirrt. Der Regen fiel und das Gras begann zu wachsen. Samenkörner sind zähe, kleine Biester. Ich feire jedes einzelne grüne Hälmchen. denn ist es nicht unfassbar tröstlich, dass es manchmal nur Hinwendung, Nahrung und Geduld braucht, um aus der Ödnis wieder etwas wachsen zu lassen? Dass auch aus dem Samen, den wir schon längst verloren gaben, immer nochmal etwas werden kann? Das ist und ist und ist das göttliche Wunder allen Lebens. Denk nur an verloren gegebene Träume, Beziehungen, Pläne, Hoffnungen! Denk nur an all die gesäten gute Worte, Bemühungen, Geduldsfäden und liebevolle Gesten! Irgendwann werden sie wachsen und harte, verkrustete Erde in lebendiges Grün verwandeln. Wenn dort etwas wachsen soll, wird es wachsen. Vielleicht sieht es anders aus, als du es erwartet hast, aber wachsen wird es.
Nur für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt haben solltest- es ist September! Das ist in jedem Jahr eine gute Nachricht! Der September kommt wie lieber Besuch, auf den du dich lange freutest, der unaufgeregt und unangestrengt schöne Mitbringsel im Gepäck hat. Zeit, die du gerne mit ihm verbringst, weil sie dich leise froh macht. Er schenkt dir Sonnenaufgänge, die mit Worten nicht zu beschreiben sind, wärmende Sonnenstrahlen, die du dankbar annimmst, weil sie dir nicht länger das Gesicht verbrennen. Du darfst hemmungslos schwelgen in Farben und Früchten und sparst dir das Geld für Dekoquatsch. Was könnte hübscher sein als eine Schale Zwetschgen und Trauben, ein paar Sonnenblumen in der Vase und frische Äpfel auf dem Tisch. Siehst du! Ich glaube der September wurde uns geschenkt, damit der Abschied vom Sommer nicht so schwer fällt und wir gar nicht merken, wie er auf leisen Sohlen durch die Hintertür verschwindet.
Henkelmänner sind eine ausgezeichnete Nachricht. Nennt man sie überhaupt noch so? Wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren habe brauchen OberstufenschülerInnen heutzutage ganz unbedingt einen Henkelmann. Stundenpläne in späteren Schuljahren orientieren sich nicht an Hunger und Durst. Das Schülerexemplar, das bei uns im Hause wohnt, hat jeden Nachmittag bis fünf Uhr Unterricht, kann folglich zum Essen nicht mehr nach Hause kommen und eine Kantine gibt es für diese Altersklasse nicht. Also löffelt die Altersklasse ihr warmes Essen jetzt wieder aus dem Henkelmann. Als ich in diesem Alter war, wäre kein Mensch auf so eine abwegige Idee verfallen, sondern es wurde in Bäckerei und Supermarkt eingekauft. Henkelmänner sind nicht länger uncool, sondern nachhaltig, preiswert und deutlich gesünder als Supermarktfutter. Ich finde sie bemerkenswert, diese kleinen Schritte und ich finde, sie sollten gewürdigt werden.
Im September kann man wieder Teestündchen halten, vielleicht sogar noch Draußen, auf jeden Fall bricht dir nicht schon beim Gedanken an der Tee der Schweiß aus. Du kannst dir damit selbst eine unaufgeregte Freude machen, oder deiner Familie oder anderen lieben Menschen, mit denen du schon lange mal wieder zusammen sitzen wolltest. Wenn du den Sommer und den September gemeinsam an dein Teetischchen bitten möchtest, dann empfehle ich dir ein paar Scones und ein Glas Lemon Curd. Dafür nimmst du einen kleinen Topf und rührst drei Eier, 100g Zucker , etwas Zitronenschale und 125 ml Zitronensaft bei mittlerer Hitze. Wenn es erwärmt ist gibst du 90g Butter und eine Prise Salz hinzu und rührst fleißig weiter bis alles schön dick, wie ein Pudding ist. Ab in ein Schraubglas und auskühlen lassen. Herrlich! Dazu passen ein paar Scones aus 325g Mehl, 3Tl Bckp, 1Tl Salz, 3 Esslöffel Zucker, 150g kalte Butter und 200 g kalte Sahne. Du knetest einen Teig, rollst ihn 1,5 cm dick aus und stichst mit einem Glas Kreise aus. Ab in den Ofen für 11, 12 Minuten und raus in den Garten, auf den Balkon oder wo du dich sonst gerne aufhältst. Dann machst du eine kleine, feine Teepause. Das ist und bleibt das beste Mittel in seltsamen Zeiten.
So viel zu meinen guten Nachrichten, wenn du auch noch welche hast, dann teile sie doch gerne, denn wir haben sie wirklich nötig.
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PS Diese Rezepte findest du bei Cynthia Barcomis, deren BackbĂĽcher und Rezepte ich sehr liebe.