Letzte Woche habe ich dir vom groĂźen Farbenkoffer erzählt, den Weihnachten in unser Haus gebracht hat. Weil wir viele sind hatte Weihnachten noch mehr Präsente im Gepäck, doch keine Bange, ich werde die jetzt nicht alle hier lang und breit treten. Von einem will ich dir aber noch erzählen, denn es fasziniert mich sehr. Zwei unsere Jungs haben ein Gemeinschaftsgeschenk erhalten, das seither in unserem Wohnzimmer wohnt (war so natĂĽrlich nicht gedacht) und uns alle beschäftigt. Denn läufst du daran vorbei, ĂĽberkommt dich unwillkĂĽrlich der Drang nur mal kurz…also das Wunderding ist ein Balanceboard. Vielleicht kennst du das Ding schon, aber fĂĽr mich war es eine Neuentdeckung. Das Board sieht aus wie ein etwas zu klein geratenes Surfbrett aus Holz und ist in unserem Fall hĂĽbsch grĂĽn angemalt. FĂĽr Anfänger, also ich zum Beispiel, gibt es einen halbmondförmigen Korkponöckel, auf den das Board draufgelegt wird. Du stellst dich drauf und versuchst nicht runterzufallen. Sehr viel weiter bin ich persönlich noch nicht gekommen, noch einige vorsichtige Bewegungen, aber dann folgt auch schon der baldige Absturz. Wenn du ein bisschen fixer bist (das Zwillingsmädchen hatte den Dreh nach drei Tagen raus), dann legst du das Board auf eine groĂźe Korkrolle, surfst hin und her und hast eine Menge SpaĂź dabei. Sobald du nur fĂĽr einen Moment unachtsam bist, verlierst du die Balance und es haut dich vom Brett.
Ich will das können. Wir alle wollen das können. Weil es nämlich ganz danach aussieht, als wäre es eigentlich richtig einfach und würde eigentlich richtig viel Freude machen. Mittlerweile sind die Kinder deutlich weiter als wir Erwachsenen ( mit Ausnahme des gebrochenen Handgelenks. Das gebrochene Handgelenk bedarf noch der Schonung und würde einen Absturz richtig übel nehmen). Ich glaube es liegt daran, das Kinder nicht so viel Sorge vor dem Abschmieren haben. Rumwackeln, fallen, wieder draufstellen. Und irgendwann rollst du fröhlich auf dem Parkettozean. Ich bin also wild entschlossen nicht aufzugeben und es einfach weiter zu versuchen.
Das neue Jahr wird heute zehn Tage alt. Es gilt damit immer noch als Neugeborenes. Ich habe kein Wort und kein Motto, ich will mich nicht rundumerneuern und plane nicht die bessere Version meiner Selbst zu werden, denn ich fahre mit der alten ganz gut. Sie hat einige Macken, Beulen und Dellen, aber ich freunde mich immer mehr mit ihr an. Keine strammen Jahresanfangsprogramme und kein persönliches Ab- jetzt- wird- alles anders-Bootcamp. Einzig- ich schreibe mir auf, was mir wichtig wäre, in diesem neuen Jahr, was ich machen und tun und erleben möchte. Es steht in meinem Kalender, weil der so eine Art Buch meines Lebens ist, eine riesige Kladde, in der nicht nur Termine, sondern auch Wunschlisten und Gedanken, Notizen, Gebete und Gedichte Platz haben. Ich nehme ihn täglich mehrfach zur Hand. Und so begegnen mir meine Wichtigkeiten auch während des Jahreslaufes immer wieder und ich ĂĽberlege mir von Zeit zu Zeit, was ich als nächstes angehen könnte (letztes Jahr stand da unter anderem, dass ich mindestens zwei Bloggerfreundinnen im echten Leben treffen möchte, dass das Wohnzimmer gestrichen werden muss, einige gesundheitliche Fragen zu klären sind und ich ein neues Buchprojekt anfangen will. Hat alles geklappt). Mehr brauche ich nicht. AuĂźer…
Das Board im Wohnzimmer erinnert mich daran, was ich tatsächlich noch brauche. Ich brauche Balance. Balance in meinem Alltag, in meinem Denken, in meinem Sorgen, in meinen freien Stunden. Habe ich über die Weihnachtszeit zu viel gegessen, dann freut sich mein Körper über ein mehr an Gemüse und ein weniger an Spekulatius. Habe ich am Morgen drei Stunden durchgehend sitzend am Computer gearbeitet, dann wäre etwas Körpereinsatz die einzig logische Gegenbewegung. Sorge ich für andere Menschen, dann muss ich irgendwann wieder für mich selbst sorgen, in einer Weise, die mir gut tut. Halte ich mich ausschließlich in der selben Gedanken- und Meinungsbubble auf, dann wird es Zeit für einen Perspektivwechsel, neue Stimmen, neue Sichtweisen (sonst komme ich womöglich auf die Idee, ich hätte Weisheit und Wahrheit mit Löffeln gefressen). Habe ich mich viel in der virtuellen Welt aufgehalten und ein Zuviel an social-media-fastfood konsumiert, dann wird es Zeit für echte Menschen im echten Leben, für Freunde, die du umarmen kannst und Gespräche, die dein Herz wirklich satt machen. Wenn du eine Reihe übervoller Tage hattest, dann wird es Zeit für ein paar leere. Warst du viel drinnen, brauchst du das Draußen. Wenn ich mich mit meinem Menschsein genug abgemüht habe, dann halte ich es meinem Gott hin, der hat eine ganz andere Perspektive. Du musst dich nicht geißeln, du musst dir nichts streng verbieten oder für immer und ewig verbannen. Alles, womit wir unsere Leben und Tage, unsere Köpfe, Herzen und Bäuche füllen, braucht eine ausgleichende Gegenbewegung. Dann entsteht Balance, dann surfst du durch dein Leben und hast offensichtlich jede Menge Spaß dabei.
Und weiĂźt du was? Ich paddle natĂĽrlich schon lang genug durch dieses Leben um genau zu wissen, dass nichts schwerer ist, als diese Balance zu finden und zu halten. Was auf dem grĂĽnen Brett im Wohnzimmer schon tricky ist, ist im echten Leben eine wahrhaft groĂźe und lebenslängliche Herausforderung. Sobald du nur einen Augenblick unachtsam bist, haut es dich vom Brett und du kannst wieder von vorne anfangen. Unsere Leben sind wahnsinnig komplex, da verliert man ruckzuck die ein oder andere Ecke aus den Augen und bumms, liegst du da. Aber das macht gar nichts. Einfach wieder aufstehen und es neu versuchen. Das ist kein Scheitern, nur ein neuer Anfang. Neuanfangen darf man jeden Tag, sogar mehrmals, da gibt es keine Limits, das ist das Leben. Hab keine Angst zu fallen, das sage ich mir selbst immer und immer wieder. Hin und wieder klappt es schon ganz gut. Hin und wieder hältst du das Gleichgewicht, ganz leicht sieht es aus und fĂĽhlt sich toll an. Die Alternative wäre ĂĽbrigens gar nicht erst aufzusteigen, Brett liegenlassen, Blessuren einsparen und den SpaĂź. Das wäre jammerschade, schon allein, weil Spekulatius wirklich lecker ist. Die Gegenbewegung zu viel GemĂĽse, Vollkorn und Kichererbsencurry ist nämlich, hmja, genau…
Möge es ein gutes Jahr werden. Eines zum rumwackeln, fallen und wieder aufstehen. Mögen wir mit Spaß und Freude an all die abertausenden kleinen und großen Herausforderungen der nächsten Monate drangehen, nicht verkniffen und streng. Mögen wir immer und immer wieder die richtige Balance finden. Das Leben ist ja kein Bootcamp, du musst dich nicht so antreiben. Wenn es zu wackelig wird, dann strecke die Hand aus. Lass dir helfen beim Gleichgewichthalten. Von denen, die genauso rumwackeln. Von deinem Gott, der dich nie fallen lässt.
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Du hast ja doch ein Jahreswort ?. Ich hatte ĂĽbrigens letztes Jahr das Gleiche. Und das Thema Balance beschäftigt mich weiterhin … Happy new year noch! ?
Du hast ja doch ein Jahreswort ?. Ich hatte ĂĽbrigens letztes Jahr das Gleiche. Und das Thema Balance beschäftigt mich weiterhin … Happy new year noch! ?