KĂĽrzlich wurde ich von einem kleinen, aber unangenehmen Wutanfall heimgesucht. Er ĂĽberkam mich mit Wucht und entlud sich lautstark. Ich wĂĽtete vor mich hin und schimpfte wie ein Rohrspatz. Die Kinder nahmen es mit Gelassenheit und dem sicheren Wissen: so lange sie laut ist, ist sie nicht gefährlich, erst wenn sie leise zischt, wird es brenzlig. Der Grund fĂĽr den Zornesausbruch war die Begegnung mit meiner alten Bekannten, der digitalen Unfähigkeit. Sie schafft es mich wirklich in kĂĽrzester Zeit auf die Palme zu bringen. Dringende Unterlagen sollten ausgefĂĽllt werden, am Computer, dafĂĽr brauchte es aber ein spezielles Programm, welches plötzlich kostenpflichtig auf Lebenszeit erworben werden wollte, irgendwas musst dann wieder auf eine Plattform hochgeladen werden, wobei man es erst umwandeln musste- tja, da war ich schon längst am BrĂĽllen. Ich verzweifle an meiner eigenen Unfähigkeit mit diesen Sachen locker und erfolgreich umzugehen. Stattdessen bekomme ich unlocker Panik und erfolgreich hektische rote Flecken. „Ich bin zu jung, um mich in der Welt nicht mehr auszukennen!!“, zeterte ich. Schon der Gedanke mich durch Youtube-Tutorials zu fuchsen lähmt mich auf der Stelle, ich will können, ohne es mĂĽhselig erlernen zu mĂĽssen. So wie damals, als schon die bloĂźe Erwähnung von Vektoren, die angeblich in jedem Raum…, auch wenn man sie nicht sehen…aber total leicht zu berechnen…, zur sofortigen Ăśberhitzung aller Synapsen und damit einhergehender Sicherungsabschaltung fĂĽhrte.
Ein paar Tage später saĂź mir beim Schreiben der Gatte gegenĂĽber und hackte auf seine Tastatur ein. Er schrieb an einer Rede und ĂĽber sein Leib und Magenthema: Bildung. Das ist schon so sehr lange sein Thema, Jahre ĂĽber Jahre, und er redet so viel davon, dass ich ehrlicherweise nicht immer ganz so genau hinhöre. Wenn dann noch Wörter wie „digitale Transformation“ fallen, werden meine Lider unmittelbar von einer bleiernen Schwere befallen und meine Gedanken gehen auf Wanderschaft, ehrlich, das kann so nichts werden. An diesem Morgen aber erzählte der hackende Gatte hinter seinem Bildschirm von Meister Eckhart und ich wurde hellhörig. Ich begann in den tiefen meiner Erinnerungen zu kramen und zack, ja: da war der kluge Mann aus dem 13. Jahrhundert. Ich kann mir nicht merken, wie man ein Word-Dokument in eine Pdf -Datei verwandelt und wieder zurĂĽck, aber fĂĽr so etwas stellt mein Hirn Speicherkapazitäten zur VerfĂĽgung. „Wusstest du?,“ fragte der Gatte, „Wusstest du, woher unser Wort Bildung stammt?“ Eben dieser Meister Eckhart hat dieses Wort gewählt und er meinte damit die lebenslange Aufgabe des Menschen, seine Gottesebenbildlichkeit wahr werden zu lassen, Gott ähnlicher zu werden, Bildung im Sinne von „dem Bild ähnlicher werden“ Seiner Meinung nach funktioniert das nicht aus sich heraus, aus dem Inneren des Menschen, sondern immer in Beziehung mit dem AuĂźen. Wir können nur in Beziehungen lernen, verstehen und begreifen, wer wir sind, wie die Welt funktioniert und was Sinn macht (sehr spannend, wenn man das Verhältnis von Schule mit SchĂĽlern und SchĂĽlerinnen bedenkt…)
Ich dachte an meinen digitalen Unwillen, an alles, was ich nicht lernen konnte und nicht lernen wollte. Ich dachte, wie viel ich schon gelernt habe, ja wirklich- eine ganze Menge. Und schloss Frieden für den Moment. Ich finde den Gedanken faszinierend, dass wir als Ebenbild Gottes gedacht sind. Und es ein Leben lang Zeit hat und ein Leben lang dauert, sich diesem Bild, dem einzigen Original anzunähern, ihm ähnlicher zu werden, es zu begreifen und zu verstehen. Nicht alleine, sondern in unseren Beziehungen, den nahen und den fernen, zu unserer Umwelt, zur Schöpfung und in den Worten und klugen Gedanken der Alten und der Neuen. Bildung hat nichts mit irgendeinem Abschluss zu tun. Fertig gebildet bist du erst, wenn du deinem Schöpfer dereinst in die Arme sinkst. Wir sind lebenslang Lernende und es wäre wirklich traurig damit aufzuhören. Es zeugt nicht von mangelnder Bildung, wenn du etwas nicht weißt. Es zeugt nur von mangelnder Bildungsfähigkeit, wen du dich bockig weigerst etwas Neues auszuprobieren oder zu erlernen, die Welt besser zu begreifen und zu verstehen. Ich muss nicht alles wissen, nicht alles können und bei manchen Sachen ist Hopfen und Malz verloren. Aber ich darf lernen, so lange ich noch Atem habe.
Manche Bildungsinhalte darfst du dir selbst aussuchen, die ganze Welt ist deine Lernumgebung. Ich muss nicht unbedingt wieder Vokabeln lernen (obwohl ich große Lust dazu habe und die App auf dem Handy schon installiert ist), aber ich weiß jetzt, wie man Baguette backt und wo British Columbia liegt, wie ich italienisch Maschen anschlage und dass mich ein Lagerfeuer im Märzgarten glücklich macht (in nur einer Woche, sieh nur, was da alles möglich ist!). Manches bringt dir das Leben bei, ob du willst oder nicht. Das Aushalten von Kummer und Leid, von Trauer und Schmerz. Das nicht alle Lieben halten, nicht alle Wahrheiten wahr sind und das Leichte manchmal schwer wiegt. Loslassen. Deine Kinder, manchen Traum und am Ende dein Leben. Nur ein Narr denkt, dass Bildung auf ein Abschlusszeugnis passt und damit erledigt ist, dass der Mensch irgendwann fertig ist und alle Lektionen ratzfatz gelernt. Darin liegt ein großer Segen und jeden Tag tausende Chancen.
Ich verbringe offensichtlich zu viel Zeit an diesem Tisch mit irgendwelchen Geräten. Aber gerade vorgestern saß ich hier mit meinem Jungen und rätselte. Die Wut kam nicht über mich. Wir probierten und überlegten und dann schafften wir es gemeinsam. Audiodatei der Garage Band runterladen, in Cloud verschieben, kopieren, anhängen und pünktlich auf teams an die richtige Adresse hochladen. Geschafft. Stolz wie Bolle, alle beide und keiner hat gebrüllt. Manchmal klappt es. Meistens in Beziehung.
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