Zusammen all das Leben leben

Der Gatte behauptet gerne, wer etwas über einen anderen Menschen erfahren wolle, müsse ihn fragen, wie er seinen Urlaub verbringe. Er meint damit nicht, dass es dabei etwas zu bewerten gäbe, keineswegs. Aber ob jemand ein leidenschaftlicher Camper ist, lieber in Deutschland verreist oder frankophil ist, ob jemand Cluburlaub bevorzugt oder auf Nordeuropa schwört, erzählt unwahrscheinlich viel. Manch einer liebt es sich zwanzig Jahre am selben Ort zu entspannen, andere gehen nur ins Hotel, der eine sucht Ruhe, der nächste Kultur und wieder andere bleiben am liebsten ganz zu Hause. Ich finde, dass er recht hat und gehe noch ein Stückchen weiter. Wenn du etwas über einen anderen Menschen erfahren willst, dann frag ihn, wie er seine Feste feiert. Es gibt dabei kein richtig oder falsch, es gibt nur ein interessant. Manches würde ich genauso machen, anderes käme für uns nie in Frage, manches ist Inspiration, einiges unvorstellbar. Aber spannend, spannend ist alles, denn es sind genau diese besonderen Gestaltungsspielräume außerhalb des Alltags, die viel darüber verraten, wie jemand tickt, was ihm wichtig ist, was ihn ausmacht.

Du hast mich natürlich nicht direkt gefragt, aber ich erzähle dir trotzdem von unserem Fest, der Erstkommunion unserer Zwillinge. Uns war dieses Fest sehr wichtig und wir haben es gründlich vorbereitet. Wie sehr mich die inhaltliche Vorbereitung froh gemacht hat, habe ich ja schon erzählt und diese zwei Menschenkinder waren so etwas von bereit! Weil wir immer viele sind, bietet solch ein Anlass die willkommene Gelegenheit, für etwas Würdigung und Aufmerksamkeit. Ich bin zweimal Outfit shoppen gegangen, habe mir dafür viel Zeit genommen, es gab Pause im Cafe und ein Buch in der Buchhandlung. Die besondere Herausforderung bei dieser Kommunion lag schon auch darin, dass es eben zwei Kinder waren und beide gleichermaßen zu ihrem Recht kommen sollten. Für das Essen nach dem Gottesdienst hatten die beiden ein Restaurant ausgesucht, weil sie dort gerne sind und das Essen mögen. Das ist etwas, was ich tatsächlich gelernt habe- den Kindern soll es an diesem Tag gefallen, vor allem und in erster Linie, deshalb ist ein Mitspracherecht bei allen Belangen wirklich hilfreich. Wir planten zusammen. Der Gottesdienst war schön und vor allem kindgerecht, das Orchester spielte auf und es lag wirklich Freude in der zugegeben sehr kalten Luft. Nach dem Essen mit Verwandten und Paten feierten wir zu Hause weiter. Wir haben die kleinen

und großen Menschen dazu eingeladen, die das Leben und den Alltag der Kinder teilen, die sie gerne haben, auch wenn sie nicht verwandt sind, mit denen sie diesen besonderen Anlass feiern wollten. Es wurde voll. Wir hatten auf gutes Wetter gesetzt, aber daraus wurde nichts. Aber es gab ein wahnsinniges Kuchenbuffet und ja, dabei hatte ich jede Hilfe angenommen, die ich nur bekommen konnte, was ich nur empfehlen kann. Zwei reizende Sechzehnjährige hatten sich bereit erklärt zu helfen, kochten Kaffee, räumten Geschirr ein und aus und schnitten Kuchen. Kinder tummelten sich überall, liebe Menschen und Vertraute. Es war kunterbunt und eng, bestimmt nicht für jeden etwas, aber genauso, wie wir sind. Die ganze Familie hatte zusammengeholfen, dass das möglich war, hatten geputzt und gedeckt, Blumen in Vasen gesteckt und Girlanden aufgehängt. Das große Mädchen hatte der kleinen Schwester die Haare frisiert, der große Junge den Brüdern. Sie hatten als Geschenk einen Fisch auf Leinwand gemalt und alle Gäste daran erinnert ihren Fingerabdruck als bunte Schuppe zu hinterlassen. Das wichtigste aber waren nicht Torten, nicht Blumen oder Festtagskleidung, das wichtigste waren zwei selige Kommunionkinder, die sich wohl fühlten in ihrer Haut, gesehen und geliebt, das wichtigste war das Zusammen. So gesehen, war es in allen Punkten ein Fest, wie wir es feiern, mit allem, was uns wichtig ist.

Mitten in die wildeste Festvorbereitung am Tag zuvor platzte die Nachricht vom Tod der Oma. Die Frau, die mich großgezogen hatte, war heimgegangen. Schreckensstarr saßen wir auf dem Sofa, hielten uns aneinander fest und versuchten zu fassen, was nicht zu fassen war. Und dann entschlossen wir uns einmal mehr zu lernen, was Leben bedeutet: hell und dunkel, Freude und Trauer, Karfreitag und Ostersonntag, lachen und weinen, aneinander halten und loslassen. Leben bedeutet die Gleichzeitigkeit der Dinge zuzulassen und auszuhalten. Es gelang mir mit und vor allem für meine Kinder ein frohes Fest zu feiern, auch wenn ich zugeben muss, dass es mir sehr viel abverlangt hat. Ein harter, schmerzender Felskumpen lag in meinem Magen, ich nahm ihn die ganze Zeit wahr und ließ ihn wo er war. Meine Kinder lasen gemeinsam im Gottesdienst die Lesung vom letzten Abendmahl und ich wusste, wie sehr dieser Moment ihrer Oma bedeutet hätte. Es gelang mir nur im Zusammen. Im Zusammen mit dem Gatten, mit meinen Kindern, mit dem Glauben, dass sie es nun gut hat und aller Schmerz ein Ende.

Wenn du etwas über einen Menschen erfahren willst, dann sieh dir an, wie er Abschied nimmt. Es gibt kein richtig und kein falsch, es gibt rein gar nichts zu bewerten. Für unsere Kinder war das Zusammen keine Frage, die sie sich stellten. Für uns auch nicht. Das Leben ist ohne den Tod nicht zu denken, auch wenn wir das so oft nicht wahrhaben wollen. Der Gatte und ich beantworteten geduldig alle Fragen und es gab wirklich viele. Nach dem exakten Ablauf, ob geweint würde, ob geweint werden dürfe, ob geweint werden müsse. Fünf Tage nach der Erstkommunion standen wir auf einem südpfälzischen Friedhof, wie du ihn dir nicht schöner denken kannst. Mit Blick auf den Pfälzer Wald, den Weinbergen im Rücken, unter blühenden Obstbäumen und mit laut zwitschernden Vögeln im Ohr. Mein Zusammen stand um mich herum, hielt sich fest, gab Halt und Trost. Ich wünsche wirklich jedem Menschen, dass er Abschied nur zusammen nehmen muss. Zumindest, solange er auf dieser Seite der Ewigkeit bleibt.

Also, wie du sicherlich gemerkt hast, fehlen mir relativ selten die Worte. Worte gehen mir quasi nie aus, wahrscheinlich habe ich versehentlich zu viele davon mitbekommen und nun müssen sie alle irgendwie aus mir raus. Letzte Woche war ich sprachlos. Meinem Herzen waren die Worte ausgegangen, sie klumpten alle in meinem Magen, pappten aneinander und kratzen unschön an den Wänden. Sie stiegen die Wände höher und höher und irgendwann, irgendwann schafften sie den Weg nach draußen, kullerten aus den Augen und lösten sich im pladdernden Regen auf. Ich bin lange genug in diesem Leben unterwegs um begriffen zu haben, dass es bunt ist und vielschichtig, ein Gemischtwarenladen aus Freude und Schmerz, aus Sorge und Zuversicht, aus Liebe und Liebe lassen. Ich bin lange genug unterwegs um begriffen zu haben, wie wichtig es ist nicht alleine zu sein, sein Herz zu verschenken, sich angreifbar und verletzlich zu machen, das Zusammen zu wagen, immer wieder. Egal, ob du die Welt entdeckst, oder das Leben feierst, ob du Abschied nimmst, oder die Überforderung dich sprachlos macht. Ich wünsche dir sicheren Halt in deinem Zusammen. In deiner Liebe. In deinem Hoffen.

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2 Kommentare zu „Zusammen all das Leben leben“

  1. Vielen, vielen Dank für die Einblicke in Eure Familie, in Deine Gedanken! Auch mir wurden die Augen feucht. Deine Zwillinge schauen wunderschön und sehr glücklich aus! Liebe Grüße aus Bayern von einer Zwillingsmama, die so gerne Dein Blog liest! Danke

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