Jetzt ist der da, der Sommer. Im Sommer wird das Schwere immer ein wenig leichter, findest du nicht? Natürlich nicht das schwere Schwere. Eine echte Erschütterung erschüttert dich und es ist völlig unerheblich, ob du dabei Schal und Mütze oder Flipflops trägst.
Ich meine vielmehr die alltägliche Schwere, hundsgewöhnliche Mühe, handelsüblicher Himmel-noch-eins- Kram. Aufstehen fällt leichter, das Haus verlässt sich viel unbeschwerter, Unangenehmes lässt sich einfacher bewältigen, wenn dabei der Blick immer wieder zu wild wuchernden Rosen wandern darf, wenn Aussicht besteht auf Eiskaffee und Bänkchen, auf all die kleinen Sommerfreuden. Überhaupt ist es nie leichter sich selbst ein wenig froh zu machen. Eine Abendrunde drehen, weil das Licht so schön fällt, draußen essen, ein paar Blumen in die Vase stellen und keine davon ist gekauft. Barfußlaufen. Erdbeeren. Ganz langsam zu genießen, denn sie sind so teuer geworden. Kirschen vom Baum direkt in den Mund pflücken. Melone mit Feta oder Vanilleeis mit Himbeeren-wann willst du es essen, wenn nicht jetzt? Ferienpläne schmieden. Was sind deine kleinen Sommerfreuden, erzähl doch mal?
Ich serviere dir heute dem Wetter angemessene, leicht verdauliche Sommerhäppchen, mehr habe ich gerade nicht im Angebot, die Küche bleibt kalt dieser Tage. Das bleibt sie übrigens tatsächlich auch im wörtlichen Sinne. Während ich hier sitze und Häppchen unters schwitzende Volk bringe, baut hinter mir ein ganz reizender Schreiner unsere neue Küche ein. Ich erzähle dir mehr davon, wenn sie fertig ist. Soviel vorweg: ein Leben ganz ohne Küche ist langfristig gesehen kein tragbares Modell. Ich habe es jetzt eine Woche getestet und nein! Backofen und Herd sind dabei tatsächlich das kleinste Problem, aber Abspülen im Gästeklo…
Bevor der Wahnsinn seinen Lauf nahm hatten wir einen absolut fulminanten Sommerauftakt. Wir hatten Pfingstferien. Das ist in unserem Bundesland sonst unüblich und deshalb irgendwie verwegen. Seit den letzten Herbstferien habe ich diese Pfingstferien verflucht, denn seitdem hatten wir überhaupt keine nennenswerten Ferien mehr, nur die Feiertage um Weihnachten und Ostern. Müde Kinder schleppten sich durch den endlosen Winter, wurden immer dünnhäutiger und abgekämpfter, schließlich braucht man doch einfach mal eine Pause, vor allem, wenn man nicht nur mit Lernen, sondern auch mit Wachsen und Werden beschäftigt ist. Aber als die Durststrecke hinter uns lag, da ploppte plötzlich der Sommer auf und damit die Pfingstferien. Was für eine Erfindung! Wir packten uns alle sieben nebst Hund ein und fuhren in die Normandie. Was ist denn das für ein Ort?? Warum wusste ich bis hierher nicht, wie ausgesprochen wunderschön dieses Fleckchen Erde ist? Wir hatten Glück mit unserem Ferienhaus, ein altes Pfarrhaus mit riesigem Garten.
Ich hatte ein zentnerschweres Herz mitgenommen und dort wurde es durchgelüftet vom lauten Brausen der Kastanienbäume, von der Weite des Atlantiks, von Seeluft und Meeresbrise. Es bekam fröhliche rote Tupfen vom Mohn, der überall blüht, rosige Wangen, weil es nie drinnen sein musste, satte Zufriedenheit durch alle Leckereien, die ich liebe. Wir ließen uns Gegend treiben, wie Vagabunden und entdeckten hinter jeder Ecke neue Schönheit. Überhaupt lag wohl ein großer Teil des Geheimnisses in diesem Treibenlassen. Im Loslassen von Ansprüchen, vor allem aneinander. Wenn du mit Teenagern verreist, dann empfiehlt es sich sehr dringend ihnen Freiraum zu lassen. Nichts persönlich zu nehmen, es gut sein zu lassen. Als wir nach Hause fuhren war ich voller Dankbarkeit und der Gewissheit- hier waren wir nicht zum letzten Mal.
Kaum wieder zu Hause feierten wir fünfzehnten Geburtstag. Ich habe jetzt eine fünfzehnjährige Tochter, unfassbar. Es waren immer noch Ferien und so setzen wir relativ mühelos eine bisher unerprobte Geburtstagsidee um. Ich bat rechtzeitig vor dem Tag um eine Wunschliste, nicht nur für Geschenke sondern vor allem für den Tag selbst. Wie stellst du dir den Tag vor, was brauchst du, damit du froh sein wirst, was willst du essen, trinken, machen? Es braucht nicht viel um junge Kinder an ihrem Ehrentag froh zu machen, aber weißt du wirklich, was dein Teenager sich wünscht? Für sich? Nicht für dich, oder die Verwandtschaft oder für Weils schon immer so war? Ich wäre ehrlicherweise nie auf die Idee verfallen ihr baked oat meal zum Frühstück zu servieren, statt der üblichen Croissants. Sie wollte Geschenke erst am Nachmittag und in aller Ruhe. Klettern im Hochseilgarten. Veganes Sushi zum Abendessen. Und ein ganz traditionelles Kaffeetrinken. Am Abend ging ein rundum zufriedenes Teenagermädchen ins Bett, deren Wünsche allesamt respektiert worden waren. Wir werden diese Wunschliste beibehalten, sie macht das Leben leichter. Hilft beim Loslassen. Und ist sehr erhellend.
Noch etwas habe ich losgelassen. Mein neues Buchmanuskript. Irgendwann musste ich auf Senden drücken, einsehen, dass ich für meinen Teil nie fertig werden würde. Soviel verrate ich dir: es hat wirklich gar nichts mit Kindern oder Familienleben zu tun, aber sehr viel mit mir und das ist tatsächlich äußerst beunruhigend.
Zwischendurch habe ich die alte Küche ausgeräumt und glaube mir, da gab es auch jede Menge zum Loslassen. Wir haben zu viel Kram. Manche Teller habe ich vor fünfzehn Jahren eingeräumt und seither nie wieder in der Hand gehabt. Also, beste Gelegenheit alles loszuwerden, was Platz raubt und mal wieder einzusehen, wie wenig man tatsächlich braucht.
Huch, sieh mal. Meine Häppchen sind alle mit ein paar hübschen Zweiglein Loslassen garniert, das hatte ich überhaupt nicht im Sinn. Andererseits- vielleicht ist das der leichteste Weg in einen schönen Sommer? Das Loslassen von Erwartungen, von Überflüssigem, von allen Perfektionsansprüchen. Sich an den kleinen Sommerfreuden freuen, an den kleinen Dankbarkeiten? Jetzt sind die Tage lang, jetzt ist die Zeit zum Barfußlaufen, jetzt ist die Zeit für das Unaufgeregte und Simple, für Melonenstückchen und Vanilleeis! Im Sommer wiegt das Schwere leichter, darfst du so oft ja sagen, wie du nur irgend kannst, dich beschenken lassen, vom Licht des Abends, vom wilden Mohn und von der Freiheit nackter Beine. Gönn dir deine kleinen Freuden, gönne sie deinen Kindern und lass es gut sein. Ich glaube ja ganz fest daran, dass diese Tage Einladungen des Himmels sind. „Sieh nur, wie schön die Welt ist, nimm dich nicht ganz so wichtig, vergiss nicht, dich zu freuen! Lass das Schwere los, wenigsten hin und wieder und atme mal richtig durch.“ Danke für die Einladung, ich nehme sie gerne an und steuere auch ein paar Kirschen bei! Kommst du mit?
So, hinter mir kreischt eine Säge und offensichtlich soll ich ein paar neue Steckdosen besorgen. Also lasse ich es gut sein für heute und stürze mich wieder hinein ins Leben. Hab es fein dieser Tage, möge dir das Schwere leichter fallen, wenigstens für ein Weilchen. Bleib behütet und vergiss nicht, ausreichend Eis zu schlecken.
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Ach liebe Sandra – was für ein herrlicher Eintrag! Und wieder so viel Lebensklugheit von der ich so einiges mitnehmen will… das mit dem Geburtstag ist eine fantastische Idee!(wie oft manche ich mir da Stress mit etwas, was das Kind überhaupt nicht interessiert!). Danke- auch für die schönen Fotos! Ich grüße Dich und wünsche Dir gesegnet leichte Sommertage (und dann große Freude an der neuen Küche – das mit dem Abspülen auf dem Klo haben wir grade hinter uns! Absolut kein tragbares Model!)
Und ICH FREUE MICH auf dein neues Buch!!!!
Herrlich, erfrischend,beglückend-danke!