Noch eine Woche bis zu den Sommerferien, drei kranke Kinder im Haus und eine Liste, die nicht nur ellenlang sondern auch eine einzige Anklage ist. Höchste Zeit also sich ein wenig in Prokrastination zu üben und dir von einer kleinen Miniepisode und den damit einhergehenden persönlichen Überlegungen zu erzählen.
Zum einen kehrte der KĂĽchenmann zurĂĽck um sein Werk endlich zu vollenden. Wir sind jetzt auch Sockelleisten und Hängeschrank-Untendrunter-Leuchtband-Besitzer, sehr fein. Während der Schreiner schreinerte, beäugte er kritisch die von ihm angefertigte und eingebaute Arbeitsplatte. Fast schon liebevoll strich er ĂĽber das Holz, um schlieĂźlich zu der Erkenntnis zu gelangen, dass ich nicht sachgemäß mit dem guten StĂĽck umgehen wĂĽrde. Ich war in den vergangenen zwei Wochen wahnsinnig damit beschäftigt gewesen die neue Platte möglichst lange neu zu erhalten. Immerzu hatte ich sie gewischt und sauber gehalten, ein bisschen manisch schon, wie man es eben macht, wenn etwas sehr neu ist. Scharfe Reiniger hatte ich nicht verwendet, aber normales SpĂĽli und die Lappen, die ich immer kaufe, weil man sie waschen und wiederverwenden kann. „Microfaser!!“, rief der Schreiner voller Entsetzen. „SpĂĽlmittel mit Fettlösekraft!!“ Das Grauen hätte kaum größer sein können. Statt Microfaser hätte ich auch gleich Schmirgelpapier verwenden können und SpĂĽlmittel zerstört das Holz, denn es entzieht ihm das wertvolle und notwendige Fett. Beides macht Holz spröde und kaputt. Ich dachte kurz an all die meterlangen Regale mit bunten KĂĽchenreinigern, zu finden in jedem Drogeriemarkt. An die Krux nicht zu wissen, was etwas braucht, um gesund und heil zu bleiben. Oder jemand. An Aktionismus, der schadet, obwohl er es gut meint. Der Schreiner händigte mir eine Flasche Pflanzenseife aus und eine Fläschchen Ă–l. Mehr braucht es nicht und das Holz ist glĂĽcklich. Nur diese zwei Dinge. Oh, und hundsgewöhnliche Baumwolllappen, ganz ohne Micro und Macro. Meine hölzerne Arbeitsplatte, mein Herz, die Seelen meiner Kinder und die aller Menschen, ach wenn wir doch nur wĂĽssten, was wir wirklich brauchen, was notwendig ist und was uns rissig und spröde werden lässt, uns das Leben entzieht und die Kraft!
Ich schätze, dass es letztlich immer sehr wenig ist, was tatsächlich nötig ist. Den ganzen restlichen Zinnober könnten wir uns sparen, weil er überfrachtet und überreizt und uns teuer zu stehen kommt, uns und die Welt. Blöderweise braucht nicht jeder und jede und jedes das Gleiche, um gut gedeihen zu können. Blöderweise gibt es keine Bedienungsanleitungen für Menschen und Beziehungen, in denen vermerkt ist, was tatsächlich gebraucht wird. Weißt du, was dich in tiefer Seele froh macht? Was du brauchst, um in dir zu ruhen, um ausgeglichen zu sein, um die Risse in deinem Herzen zu kitten? Erinnerst du dich noch? Wann hast du dich zu Letzt unbeschwert und lebendig gefühlt, entspannt und leichten Mutes? Der Sommer ist eine gute Gelegenheit für ein bisschen Fürsorge mit den richtigen Mitteln. Vielleicht musst du wieder lernen eine Weile ganz still zu sitzen, ganz ohne mediale Untermalung. Vielleicht wollen deine Hände etwas Kreatives tun. Vielleicht brauchst du richtig viel Bewegung, Waldluft, Mittagsschlaf oder ein gutes Buch. Ich glaube nicht, dass es viel braucht, vor allem nicht viel Konsum. Wen du aber weißt, was du brauchst, kannst du dich gut behandeln. Das gleiche gilt für Kinder, für Paare, für einfach alles, oder? Wir müssen über unsere Leben streichen, liebevoll und prüfend, wie der Schreiner über das Holz. Was ist dein Weniges, was dich nährt und deine Kraft erhält?
Einige Tage später war erst mein Geburtstag und dann der unseres Sohnes. 47 und dreizehn, du liebe Güte! Drei Teenager wohnen nun in diesem Haus und eine wechselhaft gestimmte Mutter. Mehr denn je frage ich mich, was das Wenige ist, was junge Menschen brauchen? Was davon kann ich ihnen geben und wofür müssen sie lernen selbst zu sorgen? Es berührt mich sehr, dass so viele Jugendliche mit ernsthaften Schwierigkeiten zu kämpfen haben, auch mehr denn je. Ängste und Depressionen werden zu neuen Zivilisationskrankheiten, besonders der jungen Generationen. Darauf gibt es keine simplen Antworten, die Zusammenhänge sind komplex, genauso, wie die Ursachen. Ich merke aber immer mehr, dass zum Wenigen, was Jugendliche brauchen, die persönliche Begegnung und Beziehung gehört. Ganz real und nicht digital. Bedingungslose Liebe und Wertschätzung, auch wenn dazu nicht unbedingt Verstehen gehört. Boah, und Zuversicht! Nicht, dass es irgendetwas schön zu reden gäbe, aber Himmel, trotzdem gibt es so viel Schönes und Kostbares, so viel Freude, so viel, was es zu entdecken gilt! Zumindest die Jugendlichen in unserem Haus brauchen damit ziemlich das Gleiche, wie ihre wechselhafte Mutter. Es ist wichtig uns gegenseitig damit zu versorgen, damit wir nicht rissig und spröde und anfällig für Schimmel werden. Der frischgebackene Teenager durfte übrigens auch eine Geburtstagsliste schreiben, genau wie ich. Alle Punkte wurden umgesetzt. Auch, wenn er den einzigen Regentag erwischte und ich erst einen kotzenden Hund und am Ende kotzende Kinder. Hinter all unseren Wünschen stand vor allem der Wunsch nach Zusammensein, Fürsorge und leckerem Essen. Das kann man auch unter etwas widrigen Umständen bewerkstelligen. Vielleicht ist das unser weniges.
Noch eine Woche bis zu den Sommerferien und unter Umständen wird es hier still werden. Ich wünsche dir eine wunderbare Sommerzeit, die Erholung, die du suchst und so, wie du sie brauchst. Ich wünsche dir, dass Du weißt, was dein Weniges ist- oder es neu herausfindest. Ich wünsche dir Muße und Erdbeereis und Zeit zum Atmen. Ich wünsche dir Segen, dir und den deinen und jede Menge Abenteuer, seien sie noch so winzig! Bleib behütet!
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Und es sind mal wieder die richtigen, Gott gegebenen Worte, die mich berühren und bestärken. Es gibt soviel Ängste und Kämpfe in dieser Welt. Die Psychiatrien sind voll. Dabei würde ein klein wenig Liebe und Gott vertrauen schon reichen. Und wenn jeder auf sich selbst achtet. Mein Sommerplan: ich nähe für andere und stricke für mich ein Tuch in Regenbogenfarben. Also theoretisch. Praktisch möchte ich ganz viel kuscheln mit dem Baby. Und regelmäßig Eis essen.
Liebe GrĂĽĂźe Anne von leben eben
Liebe Sandra, danke für deine schöne Worte. Ich wünsche dir und deiner Familie schöne Sommerferien und eine tolle Zeit zusammen. Liebe Grüße Luci
Dein erster Satz beschreibt mein Leben in diesen Tagen – und ich dachte, es geht nur mir so!! Danke fĂĽr die guten Worte, die mich immer wieder ermutigen zu einer guten Perspektive. GenieĂźt die baldigen Sommerferien!